Schaffensprozess und musikalische Entwicklungsprozesse (Part 2)

Die Komponisten können nach den Studien Pohjannoro’s (2016) Probleme in ihrem Produktionsprozess überwinden, indem bewusste Zielsetzungen und Ideen geschaffen werden, die vom Künstler selbst als Intuition empfunden werden. Danach kann er nach Evaluation des Stücks auch im Entscheidungsprozess zurückgehen, um seine Fehler zu verbessern, während er gleichzeitig schon das Endprodukt vor Augen hat. Es kommt jedoch nach Lothwesen & Lehmann (2018) immer auf das Verhalten der Einzelpersonen an, welches nicht unbedingt verallgemeinerbar ist, jedoch „wichtige Einsichten in die Individualität und Komplexität der generativen Tätigkeiten“ (Lothwesen & Lehmann (2018, S. 352) bringt. Bahle (1982, S. 84) machte außerdem deutlich, dass Komponieren umso unbewusster verläuft, je mehr die übernommenen Methoden durch häufiges Anwenden unter die Bewusstseinsschwelle versinken. Er schrieb außerdem:

„Je ausgeprägter und origineller ihr Personalstil ist, um so bewusster verläuft der Schaffensprozess, das heißt um so mehr findet man die Methoden des Experimentierens und Reflektieren in ihrem Gesamtschaffen, das dann einem Arbeitsprozess mit all seinen Stockungen und Mühen gleicht.“ – Bahle (1982, S. 84)

Außerdem ist ohne Übung weder Leistungssteigerung noch Leistungserhalt möglich, wobei mit Übung dabei eher die Wiederholung von Verhaltensweisen bezeichnet wird (Renkl, 2009, S. 19). Damit ist von Platz & Lehmann (2018, S. 75) unter anderem der Zuwachs von Erfahrung beschrieben. Bis 1980 nahm man laut Baer (2015) an, die kreativen musikalischen Fähigkeiten wären ein Persönlichkeitsmerkmal, wobei man heutzutage davon ausgeht, dass diese als domänenspezifisch trainierbar gelten. Bei diesen Theorien muss ein Individuum zunächst „Willen und Gelegenheit zur kreativen Beschäftigung mit Musik“ haben, sowie die nötigen Fertigkeiten zur Ausübung bereitstellen (Lothwesen, Lehmann (2018, S. 346). Angenommen wird auch, dass „kreative Problemlösungen nicht von der Expertise abhängen, die lediglich eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung darstellt“ (Lothwesen & Lehmann (2018, S. 346). Es gibt demnach auch unkreative Experten in ihren Domänen.

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Nach Schneider‘s Serendipitätsprinzip (2006) werden manche Lösungen zufällig gefunden und einer passenden Fragestellung nachträglich zugeordnet. Dieses Prinzip passt auch zu den Erkenntnissen von Bahle (1982), wie bereits oben beschrieben, da sich auch das Experimentieren ohne Expertise in den Schaffensprozess eingliedern lässt, es jedoch womöglich von der Expertise abhängt, wie zielgerichtet das Experimentieren gelingt. Aus Sicht der Gehirnforschung gibt es laut Altenmüller (2006) unter anderem die Frontalhirnhypothese, welche besagt, dass „musikalische Kreativität mit einem gewissen Grad an Kontrollverlust einhergeht.“ (Lothwesen & Lehmann, 2016, S. 356; Altenmüller, 2006). Es wird dabei angenommen, dass bei zunehmenden kreativen Schaffensprozessen, wie Melodiebildung, die rechte tempoparietale Übergangsregion (rTPJ) deaktiviert wird, welche in Verbindung mit der Steuerung von Aufmerksamkeitsprozessen und sozialen Interaktionen gesehen wird. Dies kann das Generieren und Ausführen von kreativen musikalischen Handlungen unterstützen und ist Expertise-abhängig, also bei unerfahrenen Künstlern konnte kein solcher Effekt festgestellt werden (Lothwesen & Lehmann, 2016, S. 356; Altenmüller, 2006).

Altenmüller, E. (2006). Das improvisierende Gehirn. Musikpsychologie und Musikermedizin, 13(1), S. 1-10

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Webster, P.R. (2002). Creative thinking in music: Administrative Guideline. Evanston. Northwestern University

Schaffensprozess und musikalische Entwicklungsprozesse (Part 1)

Der Schaffensprozess prägt sich bei jedem Künstler anders aus. Es gibt bereits durch verschiedene Wissenschaftler definierte Ablaufprozesstheorien, denen auch Musiker folgen, jedoch interagieren diese laut Lothwesen & Lehmann (2018, S. 346) sehr oft miteinander und sind nicht sehr trennscharf. Häufig genutzte Schemata musikalisch kreativer Prozesse folgen der Theorie des vierstufigen Ablaufs von Graham Wallas (1926) (Webster (2002); Burnard & Yunker (2004)). Demnach gibt es die Phasen „Präparation“, die Vorbereitung auf das Projekt und die “Inkubation“, in der die verschiedenen Aspekte und Inhalte zueinander in Beziehung gesetzt werden. Anschließend folgt die „Illumination“, in der der entscheidende „kreative Funke springt“ und man weiß, welchen Lösungsansatz man wählt, und zuletzt die „Verifikation“, bei der das Endprodukt erstellt und überarbeitet wird. Bei dieser Prozesskette fehlen nach Lothwesen & Lehmann (2018, S. 344) jedoch Dynamik, Interaktion und Problemstellung zwischen den einzelnen Phasen, die sich in den eigentlich überlagernden Phasen feststellen lassen (Kaufmann; Sternberg, 2010). Die kognitiven Prozesse, die bei einem solchen Prozess vor sich gehen, lassen sich nach Lothwesen und Lehmann (2018, S. 346f.) in fünf Kategorien unterteilen: Imaginieren, Generieren, Ausführen, Wahrnehmen und Bewerten (Abb. 1). Demnach steht am Anfang eines Schaffensprozesses ein motivationaler Impuls (Amabile, 1983; Bullerjahn, 2005), oder „schöpferische Erlebnis- und Antriebsformen“ (Bahle, 1947) die das kreative Imaginieren und das Bedürfnis diese Musik zu Schaffen, anregen (Lothwesen, K.; Lehmann, A., 2018, S. 348).

Abb. 1: Verlaufsmodell musikalisch kreativer Handlung (aus: Lothwesen; Lehmann, 2018, S. 347)

Wie in Abb. 1 veranschaulicht, besteht der Prozess musikalisch kreativer Handlung aus den fünf bereits beschriebenen Kategorien und zeichnet sich durch die ständigen Rückkopplungen in diesem Prozess aus (Lothwesen & Lehmann (2018) S. 347). Jede Entscheidung und Ausarbeitung ist dabei abhängig von den anderen Schritten, auch wenn diese erst zeitlich später geschehen, da im Prozess immer zurückgegangen werden kann. Nach dem anfänglichen Imaginieren, folgt nach Lothwesen & Lehmann (2018, S. 348) das Generieren von Elementen, welche aus der Sicht der Hirnforschung aus der Kombination und mentalen Repräsentation kleinerer Einheiten zu größeren Motiven entsteht (Altenmüller, 2006). „Es greift auf überlernte motorische Programme zurück oder nutzt formelbasiertes Repertoire und internalisierte Muster, die mehr oder weniger bewusst herangezogen werden.“ (Lothwesen & Lehmann, 2018, S. 348; aus: Katz & Gardner (2012)) Bahle (1947) hat für den Kompositionsprozess zwei Schaffenstypen theoretisiert. Den „planvoll-konstruktiven Arbeitstypus“ und der „improvisatorisch-spontane Inspirationstypus“ (Bahle, 1947). Einzelne Arbeitsschritte werden laut Lehmann (2005, S. 927) vom Arbeitstypus als bewusst und intentional, der Inspirationstypus als unbewusst, zufällig, wie fremdgesteuert beschrieben.

Altenmüller, E. (2006). Das improvisierende Gehirn. Musikpsychologie und Musikermedizin, 13(1), S. 1-10

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Webster, P.R. (2002). Creative thinking in music: Administrative Guideline. Evanston. Northwestern University

Techno als Kulturszene und Musikgenre

Unter die Verwendung des Begriffs Techno, fällt heutzutage eine große Anzahl verschiedener kleiner Untergenres. Angefangen hat die Bezeichnung des Genres 1988 bei der Benennung und Veröffentlichung eines Kompilationsalbums (Techno – The new Dance Sound of Detroit) von Virgin Records (Wicke & Ziegenrücker, 1997, S. 541). Bezeichnet wurde dabei, nach Wicke & Ziegenrücker (1997), die heute unter Detroit-Techno bekannte Musikrichtung, die aus der House Music in Detroid in den 80er Jahren entstanden ist. Durch die schnell erlangte Bekanntheit des Genres in den Diskotheken Anfang der 90er Jahre entwickelten sich demnach viele Untergruppierungen, wie Ambient, Goa, Hardcore Techno, Tekkno, Trance, oder Progressive Techno. Techno zeichnet sich nach Wicke & Ziegenrücker (1997, S. 541) vor allem durch mechanisch, maschinengleich stampfende und hochtechnisierte digital produzierte Musik aus. Da sich vor allem in den letzten Jahren zunehmend mehr Untergenres abspalten und die elektronische Musik immer vielfältiger und differenzierter wird, wird an dieser Stelle hauptsächlich auf die Technokultur und die Genres des Hardcore-Techno, Tekkno und Progressive Techno eingegangen. Diese kommen überwiegend der in Deutschland verstandenen Technoszene, am nächsten (Wicke & Ziegenrücker, 1997, S. 541). Hardcore-Techno, die vor allem in Deutschland und Berlin sehr verbreitete Technorichtung, ist eine sehr aggressive und schnelle Version des Technos (Wicke & Ziegenrücker, 1997). Wie beim Hardcore-Rock ist, nach Wicke & Ziegenrücker (1997), das Genre durch einen besonders hohen Verzerrungsgrad gekennzeichnet. Außerdem sei das Hauptmerkmal des Gestaltungsprinzips Monotonie und minimalistische Veränderungen. Ähnlich dazu ist das Genre Tekkno, was mit dem Berliner Club Tresor im Jahr 1992 entstanden ist (Wicke & Ziegenrücker, 1997, S. 542). Es geht bei der Unterscheidung von dem amerikanischen Techno aus Detroit nicht nur um die starken Verzerrungen und die Geschwindigkeit, sondern nach Wicke & Ziegenrücker (1997) vielmehr, um das Gefühl der Anonymität und den Versuch durch die Szene, ein Lebensgefühl zu vermitteln. Oft zeichnen sich die Veranstaltungsorte durch skurrile Dekorationen und Verkleidungen der Teilnehmer aus und haben meist ein dunkles Ambiente mit vielen Lasereffekten und Lichtinstallationen (Wicke & Ziegenrücker, 1997, S. 542). Die meisten Musikstücke dieses Genres werden in Kleinstauflagen oder digital vertrieben und für die Benutzung in Diskotheken veröffentlicht. Dabei geht es auch darum, keine besonders bekannten Titel zu spielen, sondern die Cluberfahrung besonders zu gestalten (Wicke & Ziegenrücker, 1997, S. 420). Insignien für die Anfänge des Technokults waren z. B. Teesiebe als Sonnenbrillen oder weiße Filtermasken für den Mund, um die Anonymität zu unterstreichen (Wicke & Ziegenrücker, 1997, S. 542). Auch die aus derselben Zeit der 90er Jahre in Manchester ausgehende Bewegung des Raves ist ein heutzutage verschmelzendes Untergenre (Wicke & Ziegenrücker, 1997, S. 420). Es zeichnet sich Wicke & Ziegenrücker (1997) nach vor allem durch Acid-House aus, welches auf dem Klangbild der 60er Jahre aufbaut. Im Zusammenhang mit der „Technowelle“ der 80er Jahre wurde dies aber auch auf die Technopartys angewendet. Rave ist der englische Slangausdruck für eine gute Party und wird oft für lange andauernde Techno-Partys verwendet. Auch die Elemente des Acid-House werden in verschiedensten Techno Genres verwendet und finden auch im Hardcore-Techno Anklang (Wicke & Ziegenrücker, 1997, S. 218). Nach dieser Einordnung des Genres stellt sich die Frage, welche Einflüsse auf die Technokultur und deren „Motoren“, die Musiker, entstehen, da wie bereits erwähnt vor allem die Cluberfahrung im Vordergrund steht.

„Die Party kommt und geht. Festhalten lässt sie sich nicht. Aber erzählen kann man davon“ (Gutmaier, 2013, S. 227)

„Gerade die Flüchtigkeit – die von Anfang an etwa mit Fotografierverboten bewusst ausgestellte und herbeigeführte Vorläufigkeit und Vergänglichkeit – von Techno und den dazugehörigen Partys machen bis heute zu einem Großteil den besonderen Reiz dieser Club- und Ausgehkultur aus.“ (Feser & Pasdzierny, 2016, S. 8f)

Auffällig ist bei diesen Zitaten das Gefühl, was durch die Szene vermittelt werden soll. Bei der Forschung danach, was jedoch die Musik selbst zu dieser Szene beitragen lässt, spalten sich laut Feser & Pasdzierny (2016) die Meinungen der Wissenschaftler. Feser und Pasdzierny (2016, S. 16) weisen darauf hin, dass vor allem in den Popular Music Studies Unklarheiten herrschen, ob Technomusik als „Kunstmusik“ zu betrachten ist, oder ob sie nur durch die Szenen und Abgrenzungsbemühungen dazu gehört. Verschiedene Forscher bezeichnen die Musik dabei als un-intelligent, andere entdecken emporkommende kompositorische Verfahren, was das Genre wissenschaftlich jedoch in eine Situation zwischen den Welten bringt (Feser & Pasdzierny, 2016). Wenn man nun die Musikproduzenten näher in Betracht zieht, kann eventuell ein genauerer Einblick in das Feld gelingen. Die Praktiken des Produzierens mit verschiedensten technischen Geräten wird meist als künstlerischer Schöpfungsakt gesehen und verbindet diese mit unkonventionellem Handeln, welches außerhalb der gesellschaftlichen Norm steht. Der Produktionsprozess wird dabei nach Reitsamer (2016) mit Technikkompetenz, künstlerischer Genialität, Durchsetzungsvermögen und ergebnisorientiertem Handeln assoziiert (Reitsamer (2016); in: Feser & Pasdzierny (2016, S. 36). Einige Technoproduzenten sehen sich daher auch nicht direkt als Musikproduzenten, sondern eher als Musiker, da sie keine andere Musik produzieren, sondern hauptsächlich ihre eigenen Ideale verwirklichen (Carsten Meyer im Film „Fraktus“. Ausschnitt aus Feser & Pasdzierny, 2016, S. 137).

Quellen:

Feser, K.; Pasdzierny, M. (2016). Ästhetik und Geschichte elektronischer Tanzmusik. Berlin

Gutmaier, U. (2013). Die ersten Tage von Berlin. Der Sound der Wende. Stuttgart S. 227

Reitsamer, R. (2016). Die Praxis des Techno. Zur theoretischen und methodischen Erfassung elektronischer Musikkulturen. In: Feser, K.; Pasdzierny, M. (2016). Ästhetik und Geschichte elektronischer Tanzmusik. Berlin

Wicke, P.; Ziegrücker, K. (1997). Handbuch der populären Musik: Rock, Pop, Jazz, world music (3., überarb. und erw. Aufl., überarb. und erw. Neuausg.). Zürich: Atlantis- Musikbuch-Verl.

Stellenwert des PCs beim musikalischen Schaffen

Die Einbindung von digitalen Recording-Programmen oder die Arbeit mit Digital Audio Workstation’s (DAW) ist in dem musikalischen Schaffensprozess von Künstlern in diesem Gebiet ein zentraler Faktor. Sie lässt laut Grimmer (1991, S. 129f.) eine Identifikation mit dem selbst geschaffenen Material stattfinden und verleiht der Musik „Selbstausdruck“. Menzel (2005) erforschte dafür 22 PC-Musiker über längere Zeit, um deren Arbeitsweise zu erforschen. Die Künstler können sich seiner Meinung nach, trotz Fehler und Qualitätsmängel, mit ihrer Musik identifizieren und an dieser Qualitätsmerkmale feststellen. Trotz eventuell mangelnder Qualitätsstandards (vergleichend mit dem Industriestandart und der professionellen Arbeiten zum Vergleich), die auch vom Künstler erkannt werden, kann sich positiv dazu eingestellt werden (Menzel, 2005, S. 155). Vor allem die dabei entstehenden Lernprozesse mit der Arbeit am Computer können als bedeutsam erlebt werden, da sie Bestandteil zukünftiger musikalischer Entwicklung sind (Menzel, 2005, S. 154).

Bei einer Betrachtung des Zusammenhangs zwischen professionellem, teurem Equipment und dem Schaffensprozess beim Musikmachen, wurde bei Menzels Untersuchungen kein Unterschied erkennbar. Sowohl teure als auch billige Software ließen keine unterschiedlichen Bewertungen zu. Eine größere Erschwernis seien in diesem Fall die technischen Probleme auf die die Musiker treffen. Vielmehr ging es seinen Teilnehmern um die Bereitschaft, sich mit technischen Details zu beschäftigen, um die Probleme zu überwinden (Menzel, 2005). Jedoch kann die Arbeit am Computer mit aufwendigen Programmen den „Kreativitätsflow“ auch bremsen. Sind nach Menzel (2005) die Programme zu kompliziert, und dauert das Lösen der Probleme zu lange, tritt auch der kreative Schaffensprozess neuer Musik in den Hintergrund. Daher versuchen viele Produzenten ihr Equipment so „einfach“ wie möglich zu gestalten, um die musikalischen Ideen möglichst schnell in eine Struktur zu bekommen. Denn Probleme bei dem Umgang der Technik wirken sich dann eher demotivierend aus (Menzel, 2005, S.159).

Beim Schaffensprozess am PC gibt es nach Menzel (2005) außerdem sehr unterschiedliche Motivationen bei verschiedenen Personen. Diese können entweder durch die Selbstverwirklichung und öffentliche Präsentation von Musik angeregt werden, aber auch durch das Auseinandersetzen mit komplizierten Programmen. Dies trifft auch auf die Musikproduktion für den Eigengebrauch zu. Es kann als Hilfe und Unterstützung für die Arbeit mit analogen Instrumenten, sowie zum Modifizieren von schon vorhandenen MIDI- Sequenzen (Musical Interface Digital Interface) genutzt werden und dient deshalb jedem Produzenten ein wenig anders, seine Kreativität in die Tat umzusetzen (Menzel, 2005). Manche Programme können jedoch für einen gewissen Zeitraum, vor allem bezogen auf den letzten Punkt, das Potential vorweisen, eine gewisse Art von Kreativität vorzutäuschen (Menzel, 2005, S. 163). Davon, dass die Technik durch voreingestellte Sequenzen und Programme nun jeden zum „Kreativen Genie“ macht, ist nach Menzel‘s (2005) Ansicht abzusehen. Neben Personen, die eine bestimmte Vorstellung haben, wie das Stück zu klingen hat, ist es aber auch die Technik, die Ideen verwirklicht (Menzel, 2005, S. 163).

„Die Personen können für die Komposition, das Arrangement, die Interpretation, die Tontechnik oder die Produktion verantwortlich sein, aber die Letztverantwortung für die Beschaffenheit des endgültigen Produkts verlagerte sich mit fortschreitender Verbesserung der Aufnahmetechnik immer mehr in die Richtung der Produktion, also der Überwachung und Gestaltung des gesamten Aufnahmeprozesses.“ – (Alfred Smudits; in: von Appen, 2003, S. 67)

Somit muss der Ton selbst nicht mehr erzeugt werden, sondern die Vergleichbarkeit von Sounds und deren Arrangement wird zu einem größer werdenden Bestandteil des musikalischen Schaffens (Menzel, 2005, S. 152ff.).

Quellen:

Grimmer, F. (1991). Wege und Umwege zur Musik: Klavierausbildung und Lebensgeschichte. Kassel [u.a.]: Bärenreiter. S. 129f

Menzel, K. H. (2005). PC-Musiker: Der Einsatz computergestützter Recording-Systeme im Amateursektor. Osnabrück: Electronic Publ.

Smudits, A. (2003). A Journey into Sound. Zur Geschichte der Musikproduktion, der Produzenten und der Sounds. In: von Appen, R. (2003). Pop sounds: Klangtexturen in der Pop- und Rockmusik ; basics – stories – tracks. Bielefeld: Transcript-Verl

Unterschiede des Schaffens von Professionellen und Amateurkünstlern bei elektronischen Musikproduktionen

Erfahrene Künstler an einem Instrument, oder in diesem Fall an elektronischen Instrumenten, haben laut Folkestadt, Lindström & Hargreaves (1997, S. 7) deutlich andere Herangehensweisen an das Schaffen eines Stückes. Dies hängt nach ihnen hauptsächlich damit zusammen, dass sie das Instrument unterschiedlich nutzen. Nach Folkestadt et al. (1997) scheint die Erfahrung der musikalischen Ausbildung zu festeren Ideen über die Schaffung von Musik zu führen, was darauf hindeutet, dass die Instrumentalausbildung zwar ein Gewinn bei der Verwirklichung musikalischer Ideen sein kann, aber auch zu einem Hindernis bei der Erforschung der Möglichkeiten des Materials wird. Demnach sind Künstler ohne diese Ausbildung zwar nicht so sehr an die etablierten Schaffensprozesse gebunden und können freier neue Möglichkeiten austesten, befinden sich jedoch in einem gewissen Rahmen und sind auf das technische Wissen angewiesen, um überhaupt mit dem Schaffen oder Auftreten zu beginnen (Folkestadt et al., 1997, S. 7). Dieses Ergebnis entspricht auch den Erkenntnissen von Scripp, Meyaard und Davidson (1988), die eine Studie durchführten, in der Kinder und Erwachsene mit Hilfe ihrer Computer Musik komponierten. Ihre Ergebnisse zeigten, dass, je mehr der Computerkomponist musikalisch ausgebildet war, desto weniger nutzte er die Möglichkeiten des Computers im Kompositionsprozess (Scripp et al. (1988). in: Folkestadt et al. (1997) S. 8).
Folkestadt et al. (1997) vermuten außerdem, dass beim Hören von Musik, auch elektronischer, ein Bild oder eine Assoziation im Kopf entsteht, wie diese Musik erzeugt wurde. Das könnte dem Ergebnis Folkestadt’s et al. (1997) Studie nach bedeuten, dass auch Menschen ohne musikalisches Training durch diese Eigenschaft eine Vorstellung haben, wie die elektronische Musik zu klingen hat und hergestellt wird, und dadurch in der Lage sind, sich auch selbst zu verwirklichen. Dies eliminiert demnach die Erfahrung, die sonst für das Spielen eines Instrumentes benötigt wurde, für das Produzieren, da jeder sich nun zum Ausdruck bringen kann. Nach Folkestadt et al. (1997, S. 9) seien Anfänger eher am Ausprobieren und Versuchen gekennzeichnet, als an dem geordneten Denken und Reflektieren.

Quellen:

Folkestadt, G.; Lindström, B. & Hargreaves, D. (1997). Young people’s Music in Digital Age.

Scripp, L., Meyaard, J., & Davidson, L. (1988). Discerning musical development. Journal of Aesthetic Education, 22(1))

Experimentelle Erkenntnisse des Effektes von Musik in der Werbung auf Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Kaufintention (Allan, D. 2007)

Werbung und Musik wurden durch viele Studien bereits mit einer breiten Palette von Ergebnissen analysiert. Diese dabei erstellten Theorien und Modelle bilden die Grundlage der Musik in der Werbung und beinhalten unter anderem die Einstellungstheorie, die klassische Konditionierungstheorie, die Involvement-Theorie, das Elaboration-Likelihood-Modell (ELM), und die Musiktheorie.

Die Einstellungstheorie von Fishbein (1963) besagt, dass die Einstellung einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt, in einer bestimmten Situation, aus dem Gedächtnis aktiviert werden kann. Viele Forscher haben die Wirkung von Musik auf Einstellung gegenüber der Marke im Hinblick auf die Produktpräferenz (Allen & Madden, 1985; Gorn, 1982; Kellaris & Cox, 1989; Middlestadt et al., 1994; Park & Young, 1986; Pitt & Abratt, 1988; Zhu, 2005) und Kaufabsicht (Brooker & Wheatley, 1994; Morris & Boone, 1998) untersucht.

Die am meisten untersuchten Musikvariablen in Bezug auf die Einstellung zur Marke und zur Werbung sind die Indexikalität, d.h. “das Ausmaß, in dem die Musik emotionsgeladene Erinnerungen weckt”, und die Passung, d.h. “die Relevanz oder Angemessenheit der Musik zum Produkt oder zur zentralen Werbebotschaft” und ihre Wirkung auf die Verarbeitung der Werbung (MacInnis & Park, 1991).

Die Ergebnisse zweier Experimente unterstützen laut Gorn (1982) die Vorstellung, dass die einfache Assoziation zwischen einem Produkt und einem anderen Stimulus, wie Musik, die Produktpräferenzen, gemessen an der Produktwahl, beeinflussen kann. Außerdem wird ein Individuum, das sich in einem Entscheidungsmodus befindet, wenn es einem Werbespot ausgesetzt ist, stärker von den Informationen beeinflusst als ein Individuum, das sich nicht in einem Entscheidungsmodus befindet.

Viele Forscher haben versucht, Gorns Studie zu erweitern, waren aber nicht in der Lage, seine Ergebnisse zu replizieren (Allen & Madden, 1985; Alpert & Alpert, 1990, Kellaris & Cox, 1989; Pitt & Abratt, 1988).

Krugman (1965) definierte Involvement (Involvement Modell) als “die Anzahl der bewussten Brückenerfahrungen, Verbindungen oder persönlichen Bezüge pro Minute, die ein Zuschauer zwischen seinem eigenen Leben und einem Stimulus herstellt” (S. 356). Salmon (1986) fügte hinzu, dass “Involvement, in welcher Form auch immer, sowohl den Erwerb als auch die Verarbeitung von Informationen zu vermitteln scheint, indem es einen erhöhten Erregungszustand und/oder eine größere kognitive Aktivität in einer Interaktion zwischen einer Person und einem Stimulus aktiviert” (S. 264). ELM geht davon aus, dass sobald ein Individuum eine Nachricht erhält, die Verarbeitung beginnt. Abhängig von der persönlichen Relevanz dieser Information, wird der Empfänger einer von zwei “Routen” zur Überzeugung folgen: “zentral” und “peripher”. Wenn der Konsument der Botschaft einen hohen Grad an Aufmerksamkeit schenkt, besteht ein hohes Involvement und damit eine zentrale (aktive) Verarbeitungsroute.

Wenn der Konsument der Botschaft einen geringen Grad an Aufmerksamkeit schenkt, liegt ein geringes Involvement und ein peripheren (passiven) Verarbeitungsweg. Petty und Cacioppo (1986) vermuteten, dass hohes Involvement das Ergebnis einer Botschaft mit hoher persönlicher Relevanz ist.

Macklin (1988) fand außerdem heraus, dass Botschaften, die in einem produzierten, originellen Jingle gesungen wurden, der sich wie ein Kinderlied anhörte, bei Kindern die gleiche Erinnerung hervorriefen wie gesprochene Botschaften.

Variablen (nach Allan, 2007):

  1. Haltung gegenüber der Anzeige                             Music fit

2. Dauer der Anzeige                                                     Erregung durch die Musik

3. Haltung zur Marke                                                    Attraktivität der
Musik/Präsenz

4. Erinnerung an die Marke                                        Music fit, Melodie, Tempo,
Präsenz

5. Vergnügen/ Erregung                                                Tempo, Textur, Tonalität

6. Kauf                                                                           Gefühl, Platzierung,
Tempo, Präsenz

7.Intention                                                                    Melodie, Music fit,
Platzierung, Modalität

Quellen:

Allan, D. (2007). Sound Advertising: A Review of the Experimental Evidence on the Effects of Music in Commercial on Attention, Memory, Attitudes and Purchase Intention. Journal of Media Psychology. Volume 12, Nr. 3

Allen, C. T., & Madden, T. J. (1985). A closer look at classical conditioning. Journal of Consumer Research, 12(3), 301-315.

Alpert, J. L, & Alpert, M. I. (1990). Music influences on mood and purchase intentions. Psychology & Marketing, 7(2), 109-133.

Fishbein, M. (1963). An investigation of the relationship between beliefs about an object and the attitude toward the object. Human Relations, 16, 233-240.

Gorn, G. J. (1982). The effects of music in advertising on choice behavior: A classical conditioning approach. Journal of Marketing, 46, 94-101.

Kellaris, J. J., & Cox, A. D. (1989). The effects of background music in advertising: A reassessment. Journal of Consumer Research, 16, 113-118.

Krugman, H. E. (1965). The impact of television advertising: Learning without involvement. Public Opinion Quarterly, 29, 349-356.

MacInnis, D. J., & Park, C. W. (1991). The differential role of characteristics of music on high- and low-involvement consumers’ processing of ads. Journal of Consumer Research, 18, 161-173.

Macklin, M. C. (1988). The relationship between music in advertising and children’s responses: an experimental investigation. In S. Hecker & D. W. Stewart (Eds.), Nonverbal Communication in Advertising (pp. 225-245). Lexington, MA: Lexington Books.

Middlestadt, S. E., Fishbein, M., & Chan, D. K.-S. (1994). The effect of music on brand attitudes: Affect- or belief-based change? In E. M. Clark & T. C. Brock & D. W. Stewart (Eds.), Attention, Attitude, and Affect in Response to Advertising (pp. 149-167). Hillsdale, NJ:

Park, C. W., & Young, S. M. (1986). Consumer response to television commercials: The impact of involvement and background music on brand attitude formation. Journal of Marketing Research, 23, 11-24.

Petty, R. E., & Cacioppo, J. T. (1986). Communication and persuasion: Central and peripheral routes to attitudes change. New York: Springer-Verlag.

Pitt, L. F., & Abratt, R. (1988). Music in advertisements for unmentionable products – a classical conditioning experiment. International Journal of Advertising, 7(2), 130-137.   

Salmon, C. (1986). Perspectives on involvement in consumer and communication research. In B. Dervin (Ed.), Progress in Communication Sciences (Vol. 7, pp. 243-268). Norwood, NJ: Ablex.

Wheatley, J. J., & Brooker, G. (1994). Music and spokesperson effects on recall and cognitive response to a radio advertisement. In E. M. Clark & T. C. Brock & D. W. Stewart (Eds.), Attention, Attitude, and Affect in Response to Advertising (pp. 189-204). Hillside, NJ: Lawrence Erlbaum Associates, Inc.

Zhu, R., & Meyers-Levy. (2005). Distinguishing between meanings of music: When background music affects product perceptions. Journal of Marketing Research, 42, 333-345.

Beispielanalyse: Touareg Werbung. VW Österreich

Analyse des Werbespots

Der vorgestellte Werbebeitrag ist eine vom Automobilkonzern Volkswagen Österreich veröffentlichte Produktion, welche von der Produktionsfirma Wuger Brands in Motion GmbH erstellt wurde. Es handelt sich um einen 1-minütigen Werbefilm über den neuen Touareg, in welchem der österreichische Schauspieler Tobias Moretti die Hauptrolle spielt. Das Video wurde am 15.03.2019 auf dem Youtube Kanal von Volkswagen Österreich hochgeladen, jedoch auch auf anderen Medien geteilt, da es als Fernsehspot betitelt wird. Etwa die Hälfte der Produktion ist mit dem Lied „Love Affair“ von der Gruppe „The Twain“ unterlegt.

Visuell

Ort des Geschehens ist eine verschneite, wolkenverhangene Berglandschaft. In der Anfangsszene durchquert ein Reiter/ Cowboy (Tobias Moretti) auf einem Pferd einen Fluss. Es werden verschneite Wälder als Luftaufnahmen gezeigt. In der zweiten Szene sieht man einen mittelalten Autofahrer in einem Touareg, leicht zufrieden grinsend durch den verschneiten Wald mit seinem Auto fahren.

Beide Szenen wechseln mehrmals, bis der Reiter mit seinem Pferd auf der Straße zum Stehen kommt, auf dem das Auto fährt. Das Auto muss bremsen und hält abrupt an. Fahrer und Reiter haben Blickkontakt. Der Fahrer des Touareg schaut ängstlich, wonach der Reiter ihm durch Kopfnicken vermittelt, aus dem Auto auszusteigen. Anschließend steigt er von seinem Pferd ab, hängt sein Gewehr an das Pferd und steigt in das Auto ein. Er begutachtet neugierig das Interieur, streichelt über das Armaturenbrett und stellt sich fast wie automatisch das Lenkrad ein. Er umfasst das Lenkrad, gibt Gas und fährt auf der verschneiten Straße davon, wobei er einen kleinen Blick in den Rückspiegel wirft. – Der neue Touareg – wird eingespielt. Zum Ende sieht man den Autofahrer neben dem Pferd stehen, beide schauen sich an, und die Schlusssequenz der Marke mit „Volkswagen“ beendet den Spot.

Audio

Dieser Werbespot ist etwa zur Hälfte mit Musik unterlegt. Der restliche Teil besteht aus Geräuschen und Sound Design Elementen. Es wird nicht gesprochen. Zu Beginn der ersten Szene ist ein Windrauschen zu hören, welches Kälte erzeugen soll, sowie das Wasserplätschern und Schneeknirschen von den Hufen des Pferdes. Alle Geräusche sind jedoch so klar zu hören und isoliert, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit in der Postproduktion eingefügt wurden. In den folgenden Schnitten zum Autofahrer wechselt der Sound von „kaltem“ Windrauschen zu „warmen“ gedämpften Motorengeräuschen, ohne Wind, also Kontrast des warmen Autos zur kalten winterlichen Berglandschaft.  Als Fahrer und Reiter aufeinandertreffen, bremst das Auto ab, was im Bild unrealistisch schnell wirkt, und durch ein schnelles Abklingen des Motorengeräusches verdeutlicht wird. Es wird mit kleinen Details wie diesem unterschwellig (bei erstmaligem Anschauen kaum bemerkbar) eine Information über die gute Bremsleistung des Autos, selbst auf Schnee, suggeriert. Anschließend beginnt beim Augenkontakt der beiden Protagonisten das Lied „Love Affair“ im Chorus und steigt direkt im Text ein, welcher die Situation wie eine Narration beschreibt. „Boy, get out of my car, I feel like I don’t love you no more.”, wird gesungen während der Reiter dem Autofahrer per Nicken andeutet auszusteigen. Das Absteigen des Reiters wird akustisch durch Geräusche wie Klopfen, Schnauben des Pferdes und Windrauschen unterlegt. Dann nimmt die Musik zu und die Nebengeräusche werden leiser. Beim Einsteigen ins Auto sind „Streichelgeräusche“ und das Motorensummen des Lenkradverstellens zu hören, während die Stimme der Musik singt: „Boy now get out of my way, This could be our very last day. Im afraid of Love Affair. But I don’t care.”. Das Auto fährt mit röhrendem Motor los, während das Lied im Refrain mündet, dass durch ein Gitarrensolo und verzerrte Gitarrensounds sehr rockig und wild klingt. Auch die rockige Musik und der bearbeitete Motorensound beim Losfahren, sind kurze auditive Stilmittel, um die Informationen über das Auto so positiv wie möglich für eine bestimmte männliche Zielgruppe zu präsentieren. Das Gitarrensolo beendet die Sequenz und die typische gesprochene Markenstimme beendet mit „Volkswagen“ den Spot.

Ich habe außerdem Frequenz-, sowie Dynamik- und Lautstärkeanalysen durchgeführt, auffallend waren dabei der relativ hohe Anteil an tiefen Frequenzen unter 300 Hz, da diese den Bass des Motorengeräusches wiederspiegeln, sowie aus dem Lied (gespielter E-Bass) stammen. Es sind jedoch auch hohe Frequenzen bis knapp 20kHz vorhanden, die von den White Noise artigen Windgeräuschen und den Transienten der verzerrten Gitarren stammen. Der Klang ist also auf dem vollen Frequenzspektrum wahrnehmbar, hat aber auch genug hohe Frequenzen, um auf Lautsprechern ohne viel Bass ausreichend gehört zu werden. Die Dynamik- und Lautstärkeanalyse veranschaulicht sehr deutlich den Spannungsverlauf, und wie er durch die Musik und das Sounddesign gesteigert wird. In Sekunde 9 ist der erste Peak des Spektrums, welcher durch den ersten Autosound erzeugt wird. Dieser ertönt, wenn das Auto zum ersten Mal zu sehen ist. Abgelenkte Zuschauer werden sensibilisiert, die Aufmerksamkeit auf die Werbung und das Auto gerichtet. Ab Sekunde 20 fängt die Musik an zu spielen. In dem Graph erkennt man deutlich die Steigerung der Lautstärke und Dynamik, welche sich fast bis zum Ende des Spots steigert und so eine gewisse Spannung erzeugt. Die Lautstärke wurde nicht bis ans „Limit“ gemastert, sodass dem Lied noch etwas Headroom bleibt und es nicht zu unerwünschten Verzerrungen kommt.

Außerdem wird trotz der fehlenden Sprache und Musik am Beginn des Spots durch Sound Design wie Windgeräusche und Wasserplätschern genug Soundscape geschaffen, dass zu keinem Zeitpunkt kein Sound gespielt wird, sodass ein einheitlicher „Klangteppich“ entsteht und den Spot als eine Einheit wirken lässt.
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Der Werbespot von Volkswagen Österreich spricht meiner Meinung nach sehr gut die anvisierte Zielgruppe an. Die Wintersituation in den Bergen verstärkt den Eindruck, dass dieses Auto auch in widrigen Landschaften und schwierigen Wetterbedingungen ohne Probleme fährt. Der passende Text der Musik veranschaulicht die emotionale Beziehung, die Tobias Moretti als Reiter mit dem Auto sofort aufbaut, indem er von einer Liebesaffäre spricht, die ihn von seinem gewöhnlichen Leben auf dem Pferd wegbringt. Die Gestik und Mimik der Schauspieler in Kombination mit der Musik bedürfen keiner weiteren Erklärung oder Informationen, da die Emotionen durch Streicheln des Armaturenbretts oder den gedämpften Sound im Inneren des Autos herübergebracht werden.

Es wird, obwohl es sich um ein technisches Produkt handelt, wenig mit echten Informationen über das Produkt geworben, eher mit emotionalen, schauspielerbezogenen und filmischen. In diesem Fall ist die Musik auch keine Jingle oder eine Musik die typisch für Volkswagen steht, bis auf das kurze, wenn auch gesprochene, Soundlogo von „Volkswagen“. Nach telefonischer Auskunft der Produktionsfirma‚ ‚Wuger Brands in Motion‘, weiß ich, dass die Musik und der Text extra für den Spot komponiert wurden, wobei es mehrere Versionen des Liedes gab, bis das vollständige Endprodukt fertig war. Die Band, welche das Lied spielt, schreibt auch regelmäßig für andere Unternehmen Lieder. Der Musikstil passt durch die elektronisch, rockige Musik gut zu Technikwerbung und spricht durch sportliche Motorensounds hauptsächlich die jüngere, technikinteressierte Bevölkerung an. Trotz der düsteren kalten Stimmung der Bilder bringt die ‚energetische Musik‘ ein Kontrast, der nach Angaben der Produktionsfirma gewollt war. Sätze wie, „Im afraid of love affair, but i dont care …“, bringen unterbewusst Gedanken auf, die eine wilde spontane Zeit andeuten, welche sich viele Menschen wünschen. Der Spot ist nur eine Minute lang, trotzdem ist so gut wie jede Sekunde ausgenutzt und vollgesteckt mit unterschwelligen Informationen. Außerdem soll die dreiste, auch filmreif unrealistische Situation am Ende die Betrachter zum Schmunzeln bringen und eine positive Erinnerung hinterlassen.

Flat Panel Speakers

In diesem Blogeintrag möchte ich auf die Möglichkeiten und Klangeigenschaften von Flat Panel Speakers hinweisen und diese vorstellen. Inspiriert wurde ich von dem Youtube Channel Tech Ingrediens, auf dem viele Experimente bezüglich der Lautsprecher und deren Eigenschaften getestet wurden und eine Anleitung zum Bauen gegeben wird.

Das Prinzip dieser Lautsprecher basiert auf der Plattenschwingung. Diese Platten lassen sich infolge ihrer Biegungsfestigkeit zu Schwingungen anregen. Diese Plattenschwingungen stellen das zweidimensionale Analogon zu den Stabschwingungen dar. Die Frequenz ist proportional zur Plattendicke und von der Dichte, dem Elastizitätsmodul und dem Koeffizienten der Querkontraktion des Plattenmaterials abhängig. Diese Art von Schwingungsberechnungen sind vor allem auch in der Musikwissenschaft gängig um die Oberfächenschwingungen von Musikinstrumenten zu untersuchen.

Wird die Platte in Schwingung versetzt, bei Musikinstrumenten z.B durch Anschlagen der Saiten oder durch einen Frequenzgenerator, entstehen bei Moden auf der Oberfläche. Diese kommen durch die Eigenfrequenz der Platte und sind be unterschiedlichen Frequenzen unterschiedlich auf der Platte ausgeprägt. Wird auf eine Waagerechte Platte Sand gestreut, können diese Moden sichtbar gemacht werden. Dieses Experiment wird dann Chladnische Klangfigur genannt. Im folgenden sind beispielhaft verschiedene Moden zu sehen.

Bei der Herstellung eine Lautsprechers jedoch gilt es genau diese Eigenfrequenzen zu vermeiden, da dies ein flaches Klangspektrum verhindert. Daher empfiehlt der Youtube Tech Ingrediens, die Frequenzgeneratoren beim Bau seiner Lautsprecher nicht in der Mitte anzubringen, sondern in einem 2/5 3/5 Verhältnis. Dadurch entstehen anscheinend mehrere verschiedene Moden, die die Stärke der Eigenfrequenzen verringert. Er misst außerdem verschiedene Materialien und Formen mit eine Frequenzanalyse und versucht die Lautsprecher mit einem möglichst flachen Klangbild zu bauen. Alle Analysen und Materialien zum DIY Bau sind dafür in seiner Beschreibung zu finden.

Quelle: https://www.spektrum.de/lexikon/physik/plattenschwingungen/11385

https://de.wikipedia.org/wiki/Chladnische_Klangfigur

Sound Design und akustische Illusionen in der Praxis

Shepard Skala

Die Shepard Skala ist die Illusion einer unendlich steigenden/ fallenden Tonleiter, welche 196 von Roger Shepard vorgestellt wurde. Der Effekt beruht auf mehreren Sinustönen, die langsam an Frequenz zunehmen/ abnehmen und an den Grenzbereichen der Hörschwelle die Lautstärke abnimmt. Die Töne sind eine Oktave voneinander entfernt und verändern sich Parallel mit der selben Intensität. Die ständig sich erhöhenden Töne geben den Effekt der sich immer steigernden/fallenden Frequenz. Ist der übergang fließend spricht man von einem Shepard-Risset-Glissando. Der Effekt wurde in leichten Variationen bereits von vielen Komponisten in Film Szenen verwendet, da er sich gut für den Aufbau von Spannung anbietet.

Im folgenden Videobeispiel wird die Umsetzung verdeutlicht:

Ein weiteres gutes Beispiel für guten Einsatz von Sound Design im Film, ist der Film “Eraserhead” aus dem Jahre 1977 von David Lynch. Viele der einprägsamsten Soundscapes sind im Horrorgenre zu Hause. Eine unheimliche Geräuschkulisse kann eine großartige Möglichkeit sein, die Gruseligkeit der Bilder auf dem Bildschirm zu verstärken. In den Filmen von David Lynch finden sich einfallsreiche Geräuschkulissen, die er oft selbst herstellt.

Im Film “Eraserhead” werden die Atmosphäre und das Grauen durch die kraftvolle und bedrückende Geräuschkulisse erzeugt. Die dröhnenden, surrealen Töne werden mit industriellen Geräuschen überlagert, die die düstere Natur der Umgebung des Protagonisten sehr effektiv verstärken.

Das dritte Beispiel für eine ausdrucksstarke Sound Design Umsetzung ist der Film “District 9” von Neill Blomkamp. Vorallem im Science Fiction Genre wird besonders viel mit komplizierten und umfangreichem Sound Design gearbeitet um die Kulisse möglichst hyperrealistisch und außerirdisch wirken zu lassen. Besonders in Filmen mit vielen Animationen ist es besonders wichtig. In diesem Ausschnitt des Films ist fast jedes Geräusch in der Postproduktion hinzugefügt und bietet dadurch deutlich mehr Action als ohne Sound.

Quelle für Inspirationen: https://www.studiobinder.com/blog/author/samkench/ August 2020

Zielgruppe: Beziehung zwischen Klängen und den kulturellen Zugehörigkeiten

Die Definition von Verbrauchergruppen hilft bei der “Quantifizierung” von Gruppen in messbare Einheiten, ein erster Schritt im Prozess der Bildung von Zielgruppen, deren Aufmerksamkeit an Werbetreibende verkauft werden kann. Durch Marktsegmentierung und demographische Analyse versuchen viele Werbetreibende Zielgruppen statistisch zu erfassen, um Strategien zur Steigerung des Verkaufspotenzials einer Anzeige zu erstellen.  Theoretisch verlassen sich Vermarkter auf demographische Statistiken, um ihre die Chancen zu erhöhen, dass eine Anzeige potenzielle Kunden erreicht, die in der Lage und bereit sind, eine bestimmte Marke oder ein Produkt zu kaufen. Das Definieren dieser “Zielgruppen” für Anzeigen, so glauben sie, konzentriert ihre Bemühungen und optimiert ihre Investitionen durch Verbesserung der Wirksamkeit der Werbung.

Auf der anderen Seite ist es jedoch relativ schwer eine gewisse Zielgruppe vorzugeben, durch die enorme Vielzahl an Einflüssen die täglich auf Menschen wirken. Die von den Werbetreibenden definierten Subjektpositionen überschneiden sich und schreiben wahrscheinlich Merkmale vor, die die komplexen Alltagserfahrungen der Menschen widerspiegeln können oder auch nicht.

Obwohl die Demografie immer noch eine Schlüsselrolle in der Praxis der Werbeproduktion zu spielen scheint, schreiben viele Werbetreibende über Zielgruppenerstellung und Konsumpraktiken im Sinne komplexer Verhaltens-, Beziehungs- und sozialen Handlungen, welche die kapitalistische Kultur charakterisieren.

Viele alte Methoden zur Untersuchung von Musik in der Werbung gehen von universellen Reaktionen auf Musik aus und dominieren immer noch häufig die Marketingliteratur. Seit den 1990er Jahren jedoch wurde mehrere Marketingstudien veröffentlicht, die sich auf die Semiotik und die Kulturwissenschaften stützen (Scott (1990); Murray und Murray (1996); Harvey und Evans (2001); Hung (2001)). Im Gegensatz zu Forschung, die auf klassischer Konditionierung basiert, gehen diese Studien davon aus, dass Musik kulturell variabel ist. Für jene Studien, die sich auf psychologische und statistische Methoden stützen, scheint Musik ein Objekt an sich zu sein, und die Reaktionen auf Musik sind universell. Für diejenigen, die Musik als kulturelles Artefakt betrachten, verschiebt sich die Betrachtung auf die Beziehung zwischen den Klängen und den kulturellen Zugehörigkeiten der Produzenten und Empfänger der Klänge. Dabei sind kulturell unterschiedliche musikalische Reaktionen ein Ausdruck der Beziehung zwischen Produzenten und Konsument, und diese Beziehung scheint neue Möglichkeiten für Werbetreibende zu bieten.

Joyce Kurpiers (2009) Reality by Design: Advertising Image, Music and Sound Design in the Production of Culture, Department of Music Duke University S. 30-40

Ich für meinen Teil denke jedoch, dass dies die oben stehenden Aussagen hauptsächlich für die in der Werbung eingesetzte Musik gilt. Für diese gibt es einige Modelle, wie auch schon in vorherigen Blogs beschrieben, welche versuchen zu beschreiben welche Musikrichtung am besten zu einer gewissen Zielgruppe passt. Betrachtet man jedoch das nur das Sound Design in der Werbung heutzutage, gibt es kaum unterschiede zwischen verschiedenen Zielgruppen, da dort hauptsächlich die Verbindung von Bild- und Ton-Ebene wichtig ist. Der Sound/ das Sound Design wird als Code und Metapher eingesetzt, um das Bildmaterial zu unterstützen, weniger um eine spezielle Zielgruppe anzusprechen.