Der Schaffensprozess prägt sich bei jedem Künstler anders aus. Es gibt bereits durch verschiedene Wissenschaftler definierte Ablaufprozesstheorien, denen auch Musiker folgen, jedoch interagieren diese laut Lothwesen & Lehmann (2018, S. 346) sehr oft miteinander und sind nicht sehr trennscharf. Häufig genutzte Schemata musikalisch kreativer Prozesse folgen der Theorie des vierstufigen Ablaufs von Graham Wallas (1926) (Webster (2002); Burnard & Yunker (2004)). Demnach gibt es die Phasen „Präparation“, die Vorbereitung auf das Projekt und die “Inkubation“, in der die verschiedenen Aspekte und Inhalte zueinander in Beziehung gesetzt werden. Anschließend folgt die „Illumination“, in der der entscheidende „kreative Funke springt“ und man weiß, welchen Lösungsansatz man wählt, und zuletzt die „Verifikation“, bei der das Endprodukt erstellt und überarbeitet wird. Bei dieser Prozesskette fehlen nach Lothwesen & Lehmann (2018, S. 344) jedoch Dynamik, Interaktion und Problemstellung zwischen den einzelnen Phasen, die sich in den eigentlich überlagernden Phasen feststellen lassen (Kaufmann; Sternberg, 2010). Die kognitiven Prozesse, die bei einem solchen Prozess vor sich gehen, lassen sich nach Lothwesen und Lehmann (2018, S. 346f.) in fünf Kategorien unterteilen: Imaginieren, Generieren, Ausführen, Wahrnehmen und Bewerten (Abb. 1). Demnach steht am Anfang eines Schaffensprozesses ein motivationaler Impuls (Amabile, 1983; Bullerjahn, 2005), oder „schöpferische Erlebnis- und Antriebsformen“ (Bahle, 1947) die das kreative Imaginieren und das Bedürfnis diese Musik zu Schaffen, anregen (Lothwesen, K.; Lehmann, A., 2018, S. 348).
Abb. 1: Verlaufsmodell musikalisch kreativer Handlung (aus: Lothwesen; Lehmann, 2018, S. 347)
Wie in Abb. 1 veranschaulicht, besteht der Prozess musikalisch kreativer Handlung aus den fünf bereits beschriebenen Kategorien und zeichnet sich durch die ständigen Rückkopplungen in diesem Prozess aus (Lothwesen & Lehmann (2018) S. 347). Jede Entscheidung und Ausarbeitung ist dabei abhängig von den anderen Schritten, auch wenn diese erst zeitlich später geschehen, da im Prozess immer zurückgegangen werden kann. Nach dem anfänglichen Imaginieren, folgt nach Lothwesen & Lehmann (2018, S. 348) das Generieren von Elementen, welche aus der Sicht der Hirnforschung aus der Kombination und mentalen Repräsentation kleinerer Einheiten zu größeren Motiven entsteht (Altenmüller, 2006). „Es greift auf überlernte motorische Programme zurück oder nutzt formelbasiertes Repertoire und internalisierte Muster, die mehr oder weniger bewusst herangezogen werden.“ (Lothwesen & Lehmann, 2018, S. 348; aus: Katz & Gardner (2012)) Bahle (1947) hat für den Kompositionsprozess zwei Schaffenstypen theoretisiert. Den „planvoll-konstruktiven Arbeitstypus“ und der „improvisatorisch-spontane Inspirationstypus“ (Bahle, 1947). Einzelne Arbeitsschritte werden laut Lehmann (2005, S. 927) vom Arbeitstypus als bewusst und intentional, der Inspirationstypus als unbewusst, zufällig, wie fremdgesteuert beschrieben.
Altenmüller, E. (2006). Das improvisierende Gehirn. Musikpsychologie und Musikermedizin, 13(1), S. 1-10
Amabile, T. (1983). The social psychology of creativity: A componential conceptualisation. Journal of Personality and Social Psychology, 45(2), S. 357-376
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Bahle, J. (1947) Der musikalische Schaffensprozess: Psychologie der schöpferischen Erlebnis- und Antriebsformen. Konstanz: Christiani
Bahle, J. (1982). Eingebung und Tat im musikalischen Schaffen: Ein Beitrag zur Psychologie der Entwicklungs- und Schaffensgesetze schöpferischer Menschen (2., unveränd. Aufl.). Hemmenhofen/Bodensee: Kulturpsychologischer Verl. S. 84
Kaufmann, J.; Sternberg, R. (2010). The Cambridge handbook of creativity. Cambridge. CUP.
Lothwesen, K.; Lehmann, A. (2018). Komposition und Improvisation. In: Handbuch Musikpsychologie. Hogrefe S. 346ff
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Webster, P.R. (2002). Creative thinking in music: Administrative Guideline. Evanston. Northwestern University