Rauschzustände im Film. Der Sprung vom Experimentalfilm zum Spielfilm ins Mainstreamkino

Wie im Blogpost „Die psychoanalytische Filmtheorie von Rauschzuständen im Film“ schon näher ausgeführt wurde, zählen zu Rauscherlebnissen im Film nicht nur durch Drogen und Rauschmittel induzierte Wahrnehmungsveränderungen, sondern auch Träume. In diesem Blogpost soll auf die Timeline, wann diese Themen wiederkehrend in Filmen aufgegriffen worden sind und wann sie es ins Mainstreamkino geschafft haben, eingegangen werden.

Spätestens in den 20er Jahren wurden vermehrt Träume und das Unbewusste in Filmen thematisiert, ein Beispiel dafür ist „Un Chien Andalou“, ein Film der 1928 erschien, bei dem Luis Bunuel und Salvador Dalí mitwirkten. Auch in Chaplins Filmen spielten Szenen, die Träume thematisieren eine große Rolle. In den 1920er Jahren fand jedoch nicht nur der Traum seinen Weg in die Filmwelt, auch das Thema Rausch und die Darstellung von Rauschzuständen kamen erstmals vor, wie am Film „Der letzte Mann“ von Friedrich Willhelm Murnau, der 1924 erschien, zu erkennen ist.

Un Chien Andalou

Im Blogpost „Die Ästhetik der Darstellung induzierter Bewusstseinsveränderungen im Film“ wurde auf verschiedene Merkmale, wie man solche Zustände filmisch aufgreifen kann, näher eingegangen. 1924 geschah dies hauptsächlich durch Überblendungen, Mehrfachbilder und eine schwankende, rotierende Kameraführung. Zu dieser Zeit war es hauptsächlich Alkohol, der für diese Rauschzustände verantwortlich war. Erst Jahre später in den 1950ern wurden auch Kokain oder andere Drogen filmisch aufgegriffen um Rauschzustände oder Wahrnehmungsveränderungen zu induzieren. Einer der Gründe wieso das zu dieser Zeit geschah, war der gesellschaftliche Diskurs in den 1950er Jahren, da zu dieser Zeit Drogen nicht nur im Film sondern auch in der Gesellschaft präsenter wurden. Zeitgleich entstand nämlich auch das Genre des psychedelischen Films. Zu psychedelischen Drogen zählen Substanzen wie LSD, Psilocybin, Kokain oder Meskalin, wobei in psychedelischen Filmen zu dieser Zeit hauptsächlich LSD thematisiert wurde.[1]

Nur ein geringer Teil der Filmemacher und Regisseure arbeitete mit diesem Genre. Zuerst wurden Rauschzustände hauptsächlich von Experimentalfilmern thematisiert. 1963 entstand der erste Mandala Film, der von John und James Whitney gemacht wurde. Mandala Filme stellten oft eine Mischung aus Rausch und Meditation dar. Später folgten auch unabhängige Dokumentar-, Animations- und Experimentalfilmer diesem Trend und versuchten „Zustände erhöhter Sensibilität für sensorische Reize, begleitet von Euphorie, dem Gefühl von Bewusstseinserweiterung, sowie Halluzinationen oder Sinnestäuschungen, aber auch psychotische Erlebnisse mit filmischen Mitteln darzustellen.“[2] Eines der Hauptziele dessen war, solche Zustände zu thematisieren und auch zu informieren, wie sich das anfühlen könnte, selbst einen Zustand der Wahrnehmungsveränderung zu erreichen. Ariane Beyn schrieb, dass es sogar scheint als wäre es möglich, dass psychedelische Filme „euphorische Stimmung direkt im Kinosaal“ erzeugen können.[3]

Mandala Film von John und James Whitney

In diesen Experimentalfilmen wurde oft mit Mandalas und spiritueller Farbsymbolik gearbeitet, „Figuren verlieren ihre Objektkonstanz, sie schwellen an, verändern die Form, transformieren zu anderen Figuren; Räume verlieren die Kontinuität, werden liquide oder nehmen andere Formen an“. Inspiration wird oft aus der Farb- und Formenwelt anderer Kulturen, vor allem dem chinesischen Ying und Yang oder den indischen Mandalas gezogen. Meist fand man sich in einer abstrakten Formenwelt wieder.[4]

Als dann Ende der 1960er Jahre die Drogenkultur mehr Popularität in der Gesellschaft erlangte, schaffte dieses Genre den Sprung vom Experimentalfilm zum Spielfilm. Filmen wie „Easy Rider“ (1969) von Dennis Hopper oder „Altered States“ (1980) von Ken Russell gelang der Aufstieg ins Mainstreamkino. Die Spielfilme unterschieden sich jedoch in einigen Aspekten von den Experimentalfilmen da sie nur einen Teil der filmischen Stilmittel, die schon davor verwendet wurden, übernahmen. Der Grundstein war aber gelegt und der Weiterentwicklung dieses Filmgenres sowie der Erlangung eines höheren Bekanntheitsgrads stand nichts mehr im Weg.


[1] Kruse, Patrick/ Wulff, Hans J.: Psychonauten im Kino: Rausch und Rauschdarstellung im Film. In: Kino im Kopf. Psychologie und Film seit Sigmund Freud. Berlin: Bertz + Fischer 2006, S.108

[2] Ebda. S.109

[3] Beyn, Ariane: Psych-Out. In: Starship, 5. S. 77ff

[4] Kruse, Patrick/ Wulff, Hans J.: Psychonauten im Kino: Rausch und Rauschdarstellung im Film. In: Kino im Kopf. Psychologie und Film seit Sigmund Freud. Berlin: Bertz + Fischer 2006, S.110