Informationstheorie

Die Gestaltpsychologie ging zu Beginn des 20. Jahrhunderts von den Erkenntnissen der Wissenschaften Ende des 19. Jahrhunderts aus. In den darauffolgenden Jahren gab es immer mehr Einwände gegen diese Erkenntnisse, da sie zu sehr an subjektive Empfindungen geknüpft und nur schwer messbar waren. Die amerikanischen Mathematiker R. A. Fisher, C. E. Shannon und N. Wiener versuchten diese Mängel mit Hilfe ihrer in der Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelten Informationstheorie zu beheben. Die damalige Entwicklung von elektronischen Nachrichtenmedien und die Verbreitung von datenerfassenden und -verarbeitenden Rechenanlagen verlangte nach einer theoretischen Grundlage. In dieser Informationstheorie gibt es einen Sender der eine Nachricht in Wort und/oder Bild an einen Empfänger sendet. Die Nachrichten bestehen aus Zeichen die sowohl vom Sender als auch vom Empfänger gekannt und erkannt werden können. 
Wichtig ist dabei zu erkennen, dass sich der Gehalt, die Substanz einer Nachricht aus der Beziehung von Unvorhergesehenem – Neuen – zu bereits Bekanntem und Überflüssigem (der sogenannten Redundanz) ergibt.
Die optimale Nachricht besteht aus einem geringen Übergewicht an Neuem, das das Interesse und die Aufmerksamkeit weckt. 

An diesem Punkt überlappen sich die Gestalt- und die Informationstheorie. Die Verbindung zwischen beiden Lehren stellte der Psychologe und Soziologe Abraham Moles her. Er hat die Informationstheorie, die zunächst unter einem physikalisch-mathematischen Aspekt entwickelt und hauptsächlich auf materielle Systeme angewendet wurde, auf menschliche Empfindungen, sprich auf die Probleme der Wahrnehmung, angewendet. 

Der unvorhersehbare, schwer zu verstehende Teil einer Nachricht, der Originalitäts- oder Neuigkeitsgehalt, ist nach den Gestaltgesetzen mengenmäßig nicht zu erfassen. In der Informationstheorie ist dieser Gehalt allerdings in „bit“, der Maßeinheit für die kleinste Informationsmenge, meßbar. Ein Mensch hat eine Aufnahmekapazität von ungefähr 16 bit pro Sekunde. Es ist für die Gestaltung eines Bildes jedoch nicht notwendig einen Zahlenwert für seinen Neuigkeitsgehalt zu nennen. Wichtig ist nur zu erkennen, dass der Neuigkeitswert ein maßgeblicher Faktor in der Bildentwicklung ist.

Bedeutung der Gestalt- und Informationstheorie für die Bildgestaltung
Die Gestalttheorie lehrt uns, dass unser Wahrnehmungssystem stets bemüht ist, durch Ordnen und Zusammenfassen das Erkennen und Verstehen unserer Umwelt zu vereinfachen, damit wir uns leichter darin zurechtfinden.

Die Informationstheorie lehrt uns; gegensätzliche Bestandteile einer Information, wie Neues und Bekanntes, so aufeinander abzustimmen, dass sich sowohl eine verständliche als auch eine interessante Nachricht ergibt. Während die Gestalttheorie eine formalästhetische Beurteilung von Bildern ermöglicht, dient die Informationstheorie einer Beurteilung des Neuigkeitsgehaltes. Einen unbedingten Maßstab dafür gibt es jedoch nicht; denn was dem einen neu ist, mag dem anderen schon seit langem bekannt sein. Die Originalität hängt wesentlich vom Wissens- und Erfahrungsschatz des Betrachters ab. (Weber 1990)

Eine Bildnachricht kann kein absolutes Abbild der Wirklichkeit sein, denn zwischen Sender und Kanal – Objekt, Fotograf und Foto – besteht eine Wechselbeziehung, in der die Subjektivität des Fotografen, wie er die Dinge sieht, zum Ausdruck kommt. Dem Empfänger – Betrachter – bleibt es überlassen, wiederum subjektiv, das Maß an Übereinstimmung zwischen Realität und Abbildung auszuloten und das Bild zu bewerten.

Quelle:
Weber 1990 Ernst A.Weber: Sehen, Gestalten und Fotografieren. Basen; Boston; Berlin: Birkhäuser, 1990
Bilder:
Weber 1990, Seite 28