Psychologische Theorien des Bildverstehens
Wie Bilder verarbeitet, verstanden und mental repräsentiert werden, klären psychologische Theorien des Bildverstehens. Eine traditionelle Ansicht ist, dass externe Bilder in interne bildliche Vorstellungen übergehen und gespeichert werden. Bilder haben also eine memotechnische Funktion. Was sagt das über das Veständnis des Gesehenen aus?
Die exakte Wiedergabe eines Bildes hat nichts mit dem tatsächlichen Verstehen des Dargestellten zu tun. Bildliche Wahrnehmung und Vorstellung sind Grundvoraussetzungen des Bildverstehens, allerdings heißt das nicht, dass das Bild verstanden wird. Um es verstehen zu können gehört eine sprachliche Einbettung dazu. Fraglich ist, ob die aktuelle Psychologie über Methoden verfügt, um empirisch entscheiden zu können, ob die Korrespondenz zwischen externen und internen Bildern richtig oder falsch ist?
Bilder im Kopf
In der Imagery-Debatte wurde diskutiert, ob überhaupt von der metaphorischen Redeweise von „Bildern im Kopf oder Geiste“ geredet werden kann.
Imagery-Debatte: Eine noch immer präsente Streitfrage ist, ob Menschen bildhaft denken. Die beiden amerikanischen Psychologen Zenon Pylyshyn und Stephen M. Kosslyn sind die prominentesten Wissenschaftler, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben und unterschiedliche Standpunkte einnehmen. Gewiss ist, dass Menschen ihre Vorstellungen als bildhaft erleben. Allerdings ist fraglich „ob es mentale Repräsentationen geben könne, die in einem klar definierbaren Sinne bildhaft sind und wirklich für diejenigen Problemlösungen benötigt werden, die subjektiv als bildliches Denken erlebt werden.“ ( Oestermeier 2008)
Im Rahmen kognitionswissenschaftlicher und philosophischer Debatten haben sich in der Diskussion um gedankliche Visualisierungen zwei Fronten gebildet:
Deskriptionalisten wie Pylyshyn behaupten, dass unsere Kongnition auf einem sprachähnlichen oder symbolischen Repräsentationsformat basiert. Ähnlich der Verarbeitung kognitiver Vorgänge eines Computers in symbolhafter Form. „Das Bildartige unserer Vorstellung hat laut Pylyshyns Ansatz nichts zu tun mit den dieser Vorstellung zugrunde liegenden mentalen Repräsentationen bzw. Prozessen. Er erklärt: „…reasoning with mental imagery or reasoning by visualizing or ‘visual thinking’ requires a combinatorial system – a Language of Thought – that itself is not in any sense ‘pictorial’…” (Pylyshyn 2006, v).“ (Gotthard 2018)
Piktoralisten wie Kosslyn gehen davon aus, dass bildhafte Vorstellungen sich auf andere, von sprachähnlichen oder propositionalen Repräsentationen unterschiedliche Prozesse oder Formate zurückführen lassen. Kosslyn vertritt die Auffassung, dass Menschen über einen visuellen Puffer bzw. Kurzzeitspeicher verfügen, der mit Vorstellungsbildern gefüllt wird und abgerufen werden kann. Dieser Puffer ist also bildhaft organisiert und wird sowohl vom Wahrnehmungs- als auch vom Vorstellungsvermögen benutzt. Dies konnte durch Messung des Stoffwechselumsatzes im Cortex nachgewiesen werden, denn bei Gehirnverletzungen im visuellen Cortex sind bildliche Wahrnehmungen und Vorstellungen oft gleichermaßen beeinträchtigt. Es gibt also tatsächlich ikonische Repräsentationen im Gehirn und damit in einem nicht-metaphorischen Sinne Bilder im Kopf.
Quellen:
Oestermeier 2008 Uwe Oestermeier: Lernen mit Bild und Text. In: https://www.e-teaching.org/didaktik/gestaltung/visualisierung/textbild/Lernen_mit_Text_und_Bild.pdf, (zuletzt aufgerufen am 23.5.21)
Gotthard 2018 Klaus Gotthard: Die Imagery Debatte. Wie sind Vorstellungsbilder im menschlichen Gehirn repräsentiert? In: https://www.grin.com/document/471597, (zuletzt aufgerufen am 23.5.21)
Bild:
Der Regresseinwand als ‚kartesisches Theater‘ nach Dennett (1969/1998).
[Quelle: Dennett (1969/1998: 102)], In: https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-658-19993-7_3, (zuletzt aufgerufen am 23.5.21)