Fortsetzung: Was ist ein Bild?

Doelkers Bildbegriff
Das Verständnis der Bildlichkeit wird laut Mitchell durch zeitliche, kulturelle, soziale und individuelle Wahrnehmungen, aber auch durch unserer Vorerfahrungen geprägt. Den Bildbegriff in der visuellen Kommunikationsforschung präzisiert der Medienpädagoge Christian Doelker mit seinen Überlegungen. Auch bei seiner theoretischen Betrachtung ist die Übertragbarkeit in eine materielle Form ein wesentliches Definitionskriterium für den Bildbegriff. Doelker führt die Überlegungen Mitchells jedoch weiter aus und unterscheidet in seinem komplexen Bildmodell zwischen Wahrnehmungsinhalt, Original bzw. Unikat und Kommunikat. 

Der Zusammenhang von Wahrnehmungsinhalt,  Original/Unikat und Kommunikat: Doelkers Bildbegriff

Der Ausdruck „Kommunikat“ weist auf die kommunikative Funktion von Bildern in Doelkers Modell als ein technisch reproduzierbares und vervielfältigbares Bild hin. Das Perzept bezeichnet das innere Bild einer Person. Dieses Bild kann zum Beispiel der Ausblick aus einem Fenster, das Betrachten eines Objekts oder eine Idee eines geistigen Bildes sein. Diese Art von Bild existiert in der Vorstellung der einzelnen Person und ist nicht-materiell und somit auch nicht übertragbar. Um diesen Inhalt anderen Personen zugänglich zu machen muss diese Vorstellung in eine materielle Form umgewandelt werden. Laut Doelker gibt es drei Möglichkeiten den Perzept festzuhalten. Entweder als Abbild (Punkt A), als Übernahme (Punkt Ü) oder als Eigengestaltung (Punkt E). Diese Möglichkeiten sind im Bildmodell in der Ebene „Original/Unikat“ dargestellt. Das Abbild A kann direkt auf ein Trägermaterial übertragen werden. Für dieses Modell spielt es keine Rolle, wie diese Übertragung erfolgt, zum Beispiel durch Zeichnen, Malen, Gestalten, Fotografieren oder Filmen. Als Übernahme Ü werden zum Beispiel Ausschnitte aus der Natur manifestiert, die nicht abgebildet, sondern fixiert werden. Diese Art der Manifestierung von Wahrnehmungsinhalten ist für die Kommunikations- und Medienwissenschaften im Wesentlichen vernachlässigbar. Die letzte Möglichkeit, einen Perzept festzuhalten, ist die Eigengestaltung E. Wenn ein inneres Bild, auch ohne Bezug zur Wirklichkeit, manifestiert wird, tritt die Eigengestaltung auf. Zwischen den drei Möglichkeiten der Manifestierung gibt es viele Übergänge und Mischformen. Die Ebene „„Original/Unikat“ ist in der Ansicht Doelkers bereits bildhaft, das heißt, sobald ein Wahrnehmungsinhalt in ein manifeste Form überführt wurde, kann der Begriff Bild verwendet werden. Um im engeren Sinn den Bildbegriff verwenden zu können sind zwei Kriterien für die Kommunikations- und Medienwissenschaft von Interesse: Die Übertragbarkeit von Bildern und seine Kommunizierbarkeit. Das Kommunikat ist eine Reproduktion, also die technische Wiedergabe und Vervielfältigung des Originals mit der Möglichkeit, das Bild an ein breiteres Publikum zu kommunizieren.

Zusammenfassend besagt Doelkers Bildmodell, dass ein Bild entweder als Original oder Kommunikat auftreten kann. Perzepte dagegen werden nicht als Bilder definiert, da sie nicht materiell vorliegen. Diese werden erst zum Bild wenn sie einen materiell übertragbaren Charakter annehmen. Da Doelker wichtige immaterielle Bildphänomene nicht als Bilder betrachtet ist diese Form des Bildbegriffes als Grundlage für eine allgemeine Bildwissenschaft nicht einsetzbar. Für die Kommunikations- und Medienwissenschaft gibt er aber äußerst wichtige Impulse, indem er den Fokus bei der Definition von Bildern auf deren Übertragbarkeit legt. (Lobinger)

Quelle:
Lobinger Katharina Lobinger: Was ist ein Bild? Was ist ein Medienbild? In: A. Hepp, F. Krotz, W. Vogelgesang (Hrsg.): Visuelle Kommunikationsforschung. Medienbilder als Herausforderung für die Kommunikations- und Medienwissenschaft. Wiesbaden: Springer VS 2012, S. 51-70