Die Darstellung von Lebensmitteln hat eine enorm lange Tradition in der Kunst und unserer Geschichte. Die Darstellung von Nahrungsmitteln hat schon immer eine wichtige Rolle gespielt: in Ägypten wurden z.B. Piktogramme von Pflanzen und Getreide und Lebensmitteln wie Brot in sehr reduzierter Form in Hieroglyphentafeln geschlagen. In der Renaissance waren die Darstellungen von Lebensmitteln im Vergleich dazu viel aufwendiger und naturalistischer gestaltet und dienten natürlich auch einem anderen Zweck. In dieser Zeit sind beispielsweise skurrile rätselhafte Porträts entstanden, in denen Gesichtszüge aus Obst, Gemüse und Blumen zusammengesetzt waren, wie in den Werken von Guiseppe Arcimboldo.
Doch die heutigen Darstellungen von Lebensmitteln gehen vor allem auf die Blütezeit der niederländischen Renaissance-Malerei zurück. Die großen, wunderschönen Stillleben dieser Zeit sind immer noch Vorbilder und Orientierungshilfen besonders in der modernen Food Photography, aber natürlich auch in der illustrativen Darstellung von Lebensmitteln. Noch heute gelten sehr ähnliche, aber in allem Fall vergleichbare, Prinzipien, Regeln und Überlegungen in der Komposition, dem Aufbau und der Gestaltung solcher Darstellungen.
Auch das zugrundeliegende Ziel ist dasselbe geblieben: In den Gemälden wurde jede Oberfläche sorgfältig gerendert, um die Illusion zu erzeugen, dass das Fest direkt vor dem Betrachter steht und ihm das Wasser im Mund zusammenläuft. Der hyperrealistische Stil der klassischen Stilleben hat das natürlich extrem gefördert und viele der damals entstandenen Gemälde wirken durch diese Detailgetreue eher wie ein Foto als eine Illustration.
Im Vergleich zu den hyperrealistischen Stilleben der Niederländischen Renaissance stehen z.B. die illustrativen Darstellungen von Lebensmitteln von Paul Cezanne. Für postimpressionistische Maler wie Cezanne war die Beobachtung aus dem Leben nur der Beginn eines weitgehend einfallsreichen Prozesses. Sie haben lebendige Farben und lebhafte Pinselstriche mehr geschätzt als den Hyperrealismus der Vergangenheit.
In der Zeit der Pop Art wurde Essen zu einer sozialen Metapher. Die Gemälde von Wayne Thiebaud spiegelten eine Wandergesellschaft wieder, in der üppige Desserts für amerikanische Fülle und Wohlstand standen. Er malte Kuchen- und Tortenreihen in leuchtenden Pastellfarben, die an Werbung und Kinderspielzeug erinnerten.
Insgesamt besteht in der zeitgenössischen Lebensmittelkunst eine gesunde Spannung zwischen Tradition und Bildersturm. Vor allem in der illustrativen Darstellung gibt es alles – von hyperrealistischen bis hin zu abstrakten Darstellungen von Lebensmitteln – hier ist jeder Zugang ok.
Angesichts dessen, dass hyperrealistische Gemälde und Illustrationen schon sehr nah an Fotografie rankommen, jedoch viel zeitaufwändiger sind und man nicht noch realistischer zeichnen kann, werden Darstellungen, die diese Qualitäten aufweisen sollen (Detailgetreue, Realitätsnähe, Darstellung der Wirklichkeit,…) oft mit Hilfe von Fotografie erzielt.
Klassische Stillleben – natürlich auch eine Illustration — sind der Ausgangspunkt für beide Arten der Darstellung, wobei die illustrative Darstellung mit dem Aufkommen der Fotografie in den Hintergrund gerückt ist, aber als Kunstform nach wie vor Bestand hat. Illustration hat sich immer weiter entwickelt und verschiedene abstrakte, unrealistische und imaginative Ansätze hervorgebracht. Illustrative Lebensmitteldarstellungen haben zeitgenössisch betrachtet nicht unbedingt Anspruch auf Realität, sondern werden als Kunstform bzw. in Hinblick auf grafische Illustration als Teil von Design verstanden. Dieser Wahrheitsaspekt wird heute vor allem von Fotografie übernommen, die aufgrund des Mediums immer diesen hyperrealistischen Aspekt beibehält und in der Art des Stylings und der Komposition variieren kann, aber weniger Spielraum hat wenn es um die Darstellung von Nicht-Realem geht.
Daraus ergibt sich aber, dass Food Photography heutzutage oft nur eine veranschaulichende Funktion zugesprochen wird und nicht als Kunstform verstanden wird. Im Allgemeinen werden Aktfotos schnell als Kunst bezeichnet, während Lebensmittelfotografie in der „Illustrationsfunktion“ zu stecken scheint. Jedoch hat die „natural beauty“ Bewegung der letzten Jahre der Disziplin der Lebensmittelfotografie und Lebensmittelkompositionen sehr viel Anerkennung verliehen.
Links:
www.smithsonianmag.com/travel/food-art-cultural-travel-180961648/