Ein Vorschlag zur theoretischen Dimensionierung der Erfassung von Bildinhalten

Es stellt sich die Frage, wie kann ein Bild unter Berücksichtigung der besonderen Logik Visueller Kommunikation inhaltsanalytisch erfasst werden? Folgender Beitrag aus der Reihe „Methodeninnovationen in der Kommunikationswissenschaft“ soll Antworten liefern: 

Visuelle Inhaltsanalyse (nomos-elibrary) Ein Vorschlag zur theoretischen Dimensionierung der Erfassung von Bildinhalten Stephanie Geise / Patrick Rössler

Abstract: Der steigenden Bedeutung visueller Kommunikation steht ein bislang noch unbefriedigendes analytisches Instrumentarium zur Erfassung von Bildern gegenüber. Vor diesem Hintergrund diskutiert der Beitrag theoriegeleitet die Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen einer Methode der standardisierten visuellen Inhaltsanalyse. Im Fokus steht die Entwicklung eines Untersuchungsrasters, das für kommunikationswissenschaftliche Bildanalysen unterschiedlichen Durchdringungsgrades nutzbar ist. Ziel dieser theoretischen Reflexion ist es, einen konzeptionellen Rahmen aufzuspannen, innerhalb dessen sich die spezifischen Anwendungen der visuellen Inhaltsanalyse verorten lassen. Ausgehend von einer Diskussion des bisherigen Methodenstands zur standardisierten Bildinhaltsanalyse wird ein Modell zur theoretischen Dimensionierung von Bildinhalten entwickelt.

Wie analysiert man den Inhalt von Bildern?

Die Bedeutung der visuellen Kommunikation nimmt mit der Nutzung der digitalen Medien immer mehr zu. Der Anteil der Bilder in der Medienberichterstattung wächst von Tag zu Tag. Es stellt sich die Frage: Wie können diese visuellen Medieninhalte erfasst und analysiert werden? Die Schwierigkeit liegt in der Festlegung einer sinnvollen Messbarkeit von Bildkommunikation. Bei den gängigen Inhaltsanalyseverfahren wird meist der Fokus auf den Textinhalt gelegt und inhaltsanalytische Untersuchungen von Bildern nur selten durchgeführt. Meist werden dabei nur formale Elemente beschrieben ohne den tatsächlichen Inhalt des Bildes und sein visuelle Darstellung zu berücksichtigen. In der Praxis werden Bilder methodisch und inhaltlich bevorzugt auf Basis einer textlichen Analyselogik untersucht, aber inwieweit lässt sich diese Logik auf Bildkommunikation übertragen? Im folgenden Beitrag soll eine Methode der visuellen Inhaltsanalyse nahe gebracht werden. Dabei wird auf die Möglichkeiten und Grenzen einer solchen Methode eingegangen.

Eine indirekte Möglichkeit der Erfassung des Bildinhalts erfolgt über die thematische Kategorisierung. Dabei wird das kommunizierte Bild mit dem textlich thematischen Inhalt verglichen. Problematisch ist dabei, dass eine klare Zuordnung eines Bildmotivs zu einem Bildthema in vielen Fällen nicht eindeutig möglich ist und damit vom jeweiligen textlichen Kontext und der Interpretation des Rezipienten abhängt. Es gibt noch andere Möglichkeiten, auf die hier nicht näher eingegangen wird. Grundsätzlich ist zu sagen, dass in den letzten Jahren Studien zu diesem Thema zugenommen haben, diese aber noch eine zu geringe Analysetiefe aufweisen. Bei vielen Bildinhaltsanalysen liegt der Fokus auf formalen Merkmalen der Bilder. Bilder werden nicht ganzheitlich, sondern auf der Ebene der inhaltlichen Merkmale über grobe Kategorien erfasst. Damit konzentrieren sich die wenigsten quantitativen inhaltsanalytischen Studien auf das Bildmotiv selbst. Das Problem ist, dass es noch zu wenig methodische Standardisierungen von quantitativen Bildinhaltsanalyseverfahren gibt, dass die Kategorisierung nur bedingt dazu geeignet ist, das Bild in seiner Komplexität intersubjektiv zu erfassen, dass die Besonderheiten der Visuellen Kommunikation vernachlässigt werden, dass sie eine unzureichende methodisch-theoretische Fundierung aufweisen und dadurch häufig mit einer geringen Analysetiefe einhergehen, dass sich durch diese Methode problematische Inferenzschlüsse in der Kategorisierung, Erfassung und Analyse ergeben. 

Stephanie Geise und Patrick Rössler (Müller, Geise 2015) schlagen ein „Modell zur theoretischen Dimensionierung der Bildebene“ vor, dabei wird das Bild unter Berücksichtigung der besonderen Logik Visueller Kommunikation inhaltsanalytisch erfasst. Dieses Modell empfiehlt eine analytische Differenzierung der verschiedenen Inhaltsebenen eines Bildes in drei Strukturebenen. Eine Ebene beschreibt die Oberflächenstruktur, eine weitere die Binnenstruktur und letztere die Tiefenstruktur. Es ergeben sich für jede Strukturebene spezifische theoretische Dimensionen zur Erfassung der Bildinhalte. 

Abb. 1  Dimensionierung der Bildebenen (nomos-elibrary)

Was bedeutet manifest, quasi-manifest und latent? (Müller, Geise 2015)

In Anlehnung an inhaltsanalytische Auslegungen gilt ein visueller Inhalt als manifest, wenn sein Bedeutungspotenzial von verschiedenen RezipientInnen bzw. KodiererInnen intersubjektiv einheitlich erfasst und verstanden werden kann. Als quasi-manifest werden materielle Inhalte bezeichnet, deren Bedeutungspotenzial kulturell konventionalisiert und damit im Rahmen einer visuellen Sozialisation prinzipiell sozial tradiert sind. Mit der Zwischeneben quasi-manifest soll eine inhaltsanalytische Erfassung von Bildern, die mehrdeutige Kommunikationsformen darstellen auch analytisch-begrifflich abgebildet werden können. Wenn ein Bedeutungspotenzial mehrdeutig ist, gilt der Inhalt als latent. Das bedeutet RezipientInnen bzw. KodiererInnen nutzen hier einen größeren Interpretationsspielraum für die Bedeutungszuweisung.

Quellen: nomos-elibrary nomos-elibrary.de: Visuelle Inhaltsanalyse. In: www.nomos-elibrary.de/10.5771/1615-634x-2012-3-341/visuelle-inhaltsanalyse-ein-vorschlag-zur-theoretischen-dimennnsionierung-der-erfassung-von-bildinhalten-jahrgang-60-2012-heft-3, (zuletzt aufgerufen am 30.12.20)

Müller, Geise 2015 Marion G. Müller, Stephanie Geise: Grundlagen der visuellen Kommunikation. München: UVK 2015