Kritik und Innovation

Der eigentliche Sinn hinter Kritik ist Verbesserung. Wenn irgendjemand oder irgendetwas kritisiert wird, dann aus dem Grund, damit die Möglichkeit geschaffen wird sich oder etwas noch besser zu machen. Durch Kritik wird auf Fehler aufmerksam gemacht, die dadurch behoben werden können. Ziel ist hier das für alle best mögliche Ergebnis zu erziehlen.
Sehr oft steht aber hinter Kritik kein so selbstloser Gedanke, sondern Kritik wird eher dazu genutzt um das Gegenteil zu erreichen. Jemand oder etwas wird absichtlich herunter gestuft, diffamiert um selber einen positiveren Eindruck zu hinterlassen. Durch Kritik wird hier eher die eigene Ansichtsweise bekräftigt, egal welche Folgen das für den oder das kritisierte hat. Wer kritisiert bekommt Aufmerksamkeit um etwas zu sagen.
Das Ziel der beiden Fälle ist allerdings das Gleiche: jemand oder etwas soll in seiner Wertigkeit beeinflusst werden – es scheint wie der einfachste Weg Veränderung herbeizuführen.

Alles in allem stellt sich aber die Frage welchen Wert Kritik hat. Hat Kritik einen Wert wenn sich nichts verändert? Hat diese wertlos scheinende Kritik dennoch einen Wert, weil dadurch Missstände wenigstens einmal genannt wurden? Wie kann Kritik wirklich sinnvoll gestaltet werden, damit sie Veränderung bewirkt? Wann darf man kritisieren und wann nicht?

Klar ist: Viele Protestbewegungen haben wichtige Lösungen für gesellschaftliche Probleme hervorgebracht. Kritisieren und der starke Wunsch nach Veränderung lohnt sich in jedem Fall. Die Abschaffung der Sklaverei bedurfte 2 Jahrhunderte der Kritik, was begann mit Kritik und Protesten einzelner wurde im Laufe der Zeit zu einer Kritik von Seiten der Kirche, über einen globalen Boykott im Warenhandel bis hin zu einem Krieg. Der Drang etwas zu verändern, das Gefühl etwas ändern zu müssen war bei Vielen so groß, dass sie Einiges aufs Spiel setzten um ihr Ziel zu erreichen.

Ein Weg konstruktiv zu kritisieren um wirklich Ergebnisse zu erhalten, ist es wohl nicht zu drängen und demnach quasi eine Veränderung zu erzwingen. Stattdessen muss wohl eher eine Vision gegeben werden, von einer Zukunft und von der Welt, wie sie sein könnte wenn sie in dem jeweiligen Punkt verbessert wäre. Pull statt Push.
Es geht also eher um Innovationen, um Neugestaltungen, darum Ideen zu generieren. Genau das, was Design als Disziplin ausmacht, genau das, was Gestalter Tag für Tag machen.
Kritik in Form von der Generation von Ideen, die Stück für Stück die gesellschaftliche Struktur verändern, die nicht drastisch alles komplett verändern wollen, sonder kleine aber entscheidende Impulse zur Veränderung geben. Ideen die nicht utopisch sind, sondern realisierbar erscheinen, nicht überfordern, sondern motivieren.

Design und gesellschaftliche Verantwortung

We, the undersigned, are graphic designers, photographers and students who have been brought up in a world in which the techniques and apparatus of advertising have persistently been presented to us as the most lucrative, effective and desirable means of using our talents. We have been bombarded with publications devoted to this belief, applauding the work of those who have flogged their skill and imagination to sell such things as: cat food, stomach powders, detergent, hair restorer, striped toothpaste, aftershave lotion, beforeshave lotion, slimming diets, fattening diets, deodorants, fizzy water, cigarettes, roll-ons, pull-ons and slip-ons.

Ken Garland, 1964

So schrieb Ken Garland in seinem 1964 publizierten und von 20 anderen Designern, Fotografen und Studenten unterschriebenen Manifest ‚First Things First‘, dass die Werte in der Designbranche in den Vordergrund rücken soll. die Autoren beabsichtigten es, weg von der ‚trivialen‘ und ‚Zeit verschlingenden‘ Massenproduktion der Werbung für den Konsum und immer gleicher Arbeiten, hin zum humanistischen und wertebasierten Design zu gelangen.


Auch viele Jahre nach seiner erstmaligen Publikation ist dieses Manifest noch von Bedeutung, das sieht man auch daran, dass eine Gruppe von Autoren 2014 die Inhalte erneut aufbereitet haben und eine aktualisierte Version des Manifests unter dem Name ‚First Things First Manifesto 2000‘ veröffentlicht, bei dem viele weitere Professionelle aus dem Designbereich unterzeichnet haben.

Verantwortung ist ein Feld, dass den Menschen schon lange bewegt und immer bewegen wird. Es fängt im kleinen, persönlichen Rahmen an – in Beziehungen, Famile, Freunden bis hin zum Beruf und endet in globalen Zusammenhängen. Verantwortung heißt Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. In jedem Berufsfeld, ob in Medizin, in Bildung, in Politik, im Rechtswesen – überall müssen Menschen eine große Verantwortung für das übernehmen, was sie tun. In der Realität hat alles was wir tun, eine gewisse Auswirkung auf Gesellschaft, Ökologie, Ökonomie oder Kultur. Und auch als Designer bleibt diese Verantwortung nicht aus. Welches Material benutze ich? Welcher Ressourchenverbrauch ist damit verbunden? Wer wird erreicht? Wer wird nicht erreicht und warum? Welche Kosten entstehen und welche Kosten werden vermieden?
Nur wenn man sich bewusst macht, was eine jeweilge Arbeit bewirkt, kann man sich auch darüber klar werden, wofür man Verantwortung übernimmt und wofür nicht.

Verantwortung, und damit auch der direkte Zusammenhang zur Nachhaltigkeit (und das nicht nur im ökologischen Sinne) beinhaltet immer auch eine gewisse Aufforderung zur Partizipation. Nachhaltigkeit kann nicht im Passiven passieren, sondern muss aktiv angegangen werden; ein verantwortungsvoller, bewusster Umgang passiert nicht automatisch, sondern muss bewusst gestaltet werden.

But if things are well made and people like them, they’ll last. That’s sustainable.

Konstantin Grcic

Nachhaltigkeit ist die Natur oder Eigenschaft von etwas, das aufrechterhalten werden kann oder das auf Dauer gleich bleibt. Diese dauerhafte ‚Stabilität‘ kann allerdings auch dynamisch sein (Recycling,…). Außerdem ist nachhaltige Entwicklung die Entwicklung, die den Bedürfnissen der Gegenwart entspricht, ohne dabei die zukünftigen Generationen zu beeinträchtigen, ihre Bedürfnisse zu erfüllen.

Deshalb rufen wir zu einem Wandel auf, was Designer gestalten – und wie. Die Klimakrise ist kritisch mit Klassen-, Rassen- und Gender-basierter Dominanz verknüpft. Wir können nicht weiter auf Nachhaltigkeit bestehen, sondern müssen neue Systeme erschaffen, die reparieren und heilen was wir geschaffen haben.

First Things First

Sammlung Organisationen die Design/Nachhaltigkeit/Verantwortung verbinden:

  • Climate Designers: https://www.climatedesigners.org/
  • Art helps: https://www.arthelps.de/
  • First Things First: https://www.firstthingsfirst2020.org/

Design und gesellschaftliche Kritik

Gesellschaftliche Probleme sind meist sehr tief und hartnäckig in der Gesellschaft verwurzelt und in, zum Beispiel institutionelle oder diskursive Strukturen eingebunden. Daher ist deren Lösung nicht einfach und muss mit innovativen Ideen und strukturellen Veränderungen passieren. Keiner wird sich einfach so ändern, wenn es nicht einen realistischen, realisierbaren und vorstellbaren, nachvollziehbaren Lösungsvorschlag gibt.

Am Anfang von Veränderungen steht meist eine kriti­sche Reflexion des Ist-Zustands. Missständen, Krisen und Konflikten werden sichtbar gemacht und es verschiebt sich die Perspektive auf relevante Fragen der Gegenwart. Hierbei können ganz unterschied­liche Strategien zum Einsatz kommen: sachliche Informationsgrafiken, die über kritische Sachverhalte aufklären, spektakuläre Guerilla-Aktionen oder Protestbewegungen.

Das Zentrum für politische Schönheit hat 2015 mit seiner Protestaktion “Die Toten kommen” auf die Missstände der Flüchtlingspolitik und die Gleichgültigkeit der Zuständigen gegenüber dem massenhaften Tod und den unmenschlichen Zuständen aufmerksam gemacht.
Das Diagramm World Government von 2013 zeigt Komponenten der Verflechtung von Konzernen, Wirtschaftsverbänden und staatlicher, Strukturen. Erstellt wurde es von dem Bureau d’études, die dafür bekannt sind Machtverhältnisse offenzulegen.

Design an sich wird oft als neutral und reines verstanden. Allerdings hat Design auch immer etwas ideologisches an sich. Jeder Designer und Designprozess wird geprägt durch Werte und einer bestimmten Weltanschauung.


Man kann Design allgemein in zwei Kategorien einteilen: affirmatives Design und kritisches Design. Affirmatives Design ist die meist vorherrschende Art von Design. Sie zeigt die Art und Weise, wie die Dinge gegenwärtig sind. Sie arbeitet mit herkömmlichen technischen, wirtschaftlichen und kulturellen Erwartungen.
Kritisches Design dagegen arbeitet mit der Annahme, dass es unterschiedliche Möglichkeiten gibt wie Dinge sein können. Die aktuelle Situation wird kritisch betrachtet und stattdessen alternative Werte dargestellt. Gestalter können mit kritischem Design zeigen, wie die Dinge sein könnten, wenn andere Werte als die vorherrschenden gelten würden.

 Beleuchtet im Film ‘The Sprawl (Propaganda about Propaganda)’ wird Art und Weise der narrativen Informationsvermittlung in sozialen Medien und die daraus resultierenden Konsequenzen. Metahaven

Man kann sagen, dass Kritisches Design die Gestaltung als Disziplin vergrößert und voranbringt, neue Arbeits- und Herangehensweisen kreiert und dabei hilft, neue Fragen und Wege aufzuwerfen. Die multidisziplinäre Arbeitsweise trägt dazu bei, Design aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Design wird so als eine akademische, forschende Praxis integriert. Kritisches Design schafft eine eigene autonome Form der Kritik.

Quellen:
1_Arch+ 222, Projekt Bauhaus 1: Kann Gestaltung Gesellschaft verändern?, 2006, Philipp Oswalt; Jan Bovelet
2_Didier Faustino Projekt: Body in Transit URL: https://didierfaustino.com/Body-in-transit (05. November 2020)
3_Bureau d’études Projekt: World Government URL: https://bureaudetudes.org/2014/02/13/world-government-2013/ (05. November 2020)
3_Zentrum für politische Schönheit Projekt: Die Toten kommen URL: https://politicalbeauty.de/toten.html (06. November 2020)
4_Metahaven Projekt: The Sprawl (Propaganda about Propaganda) URL: http://sprawl.space/about-the-sprawl/ (06. November 2020)