Im nachfolgenden Essay sollen drei Beiträge des Ars Electronica Festivals 2021 kurz behandelt und ihre Relevanz in Bezug auf die Arbeit als Designerïnnen untersucht werden. Die drei Beiträge waren als Video-On-Demand auf der Website des Festivals zum Abruf verfügbar, und bieten drei ganz unterschiedliche Themen und Zugänge. Jeder Abschnitt beginnt mit einem Abriss über den Inhalt des Beitrags, um danach auf seine Relevanz und weiterführende Ideen einzugehen.
STEAMhouse Specialists: Bio Boxes, Sarah King
Der erste Beitrag trägt den Titel „STEAMhouse Specialists: Bio Boxes, Sarah King“ und dreht sich um eben jeden Person, die ein spannendes Projekt voranbringt. Sarah King spricht als Gründerin dabei über ihr Projekt – so wie sie es beschreibt, handelt es sich um ein Kit welches an Rund 20 Teilnehmerïnnen geschickt wird, und Materialen und „natürliche Teile“ enthält. Ihr Augenmerk liegt dabei auf der Erkundungen jener Materialien und einem Zugang, diese für weitere Projekte zu nutzen; es sollen damit auch neue Materialien und Einsatzmöglichkeiten gefunden werden. Entstanden ist das Projekt in der Coronazeit, wo es ihr an praktischem Arbeiten gefehlt hat. Sie will zudem Daten sammeln zu der Arbeit mit den Materialien, quasi als Vorstufe zur Wissenschaft und sie danach Wissenschaftlerïnnen zur Verfügung stellen. Die Teilnehmerïnnen sind sowohl Menschen aus dem Kreativbereich als auch Personen die im Grunde nichts damit zu tun haben. Die Kits sind aber anscheinend so gestaltet, dass sie von einer Fülle an Menschen genutzt werden können. Inhaltlich liegt der Fokus auf Nachhaltigkeit und Sustainability, sowie auf Textilien und Mode. Damit sollen im besten Fall auch Alternativen aufgezeigt werden, was besonders durch den offenen Zugang ermöglicht wird. Die bereits angesprochenen Themen sind für aktuelle und auch zukünftige Designerïnnen enorm relevant. Sei es in Richtung Upcycling, das sich auch stark mit Materialien und ihren Eigenschaften beschäftigt, als auch im Produktdesign, das auch ständig auf der Suche nach neuen Materialien ist. Der offene Zugang und der explorative Anspruch ist etwas, das auch in unserer Branche Einzug halt kann und sollte. Schon jetzt setzen einige auf Methoden jener Art, aber es tut gut, sie nochmal in so einem Projekt wiederzufinden. Auch diese Kombination aus Design und Wissenschaft, die Arbeit mit Daten und die generelle Ausrichtung lässt sich auf viele weitere Bereiche übertragen, speziell im kreativen Feld. Zusammenfassend handelt es sich hier um ein spannendes Projekt mit einer starken Idee und einem klugen Konzept. Man kann nur hoffen es kann bald auf eine größere Anzahl an Teilnehmerïnnen ausgeweitet werden.
Cuba Garden / Disconnected Experiences
Der zweite Beitrag handelt von einer Reihe von Menschen aus Kuba und trägt den Titel „Cuba Garden / Disconnected Experiences“. Sie sprechen dabei über ihren (kreativen) Alltag, ihr Leben in Kuba und wie sie gewissermaßen „disconnected“ sind. Der Grund dafür ist dabei vorrangig die Infrastruktur des Landes, die für alle von uns in der Ersten Welt komplett selbstverständlich ist. Als Beispiel fällt hier gleich zu Beginn die Möglichkeit Internet zu verwenden – für sehr viele Kubanerïnnen ist es anscheinend ein alltägliches Ritual in den Park zu gehen und dort das verfügbare WLAN zu nutzen. Das bedeutet Millionen Menschen haben zuhause keinen Internetzugang und auch nicht auf ihren Mobilgeräten. Auch andere technische Infrastruktur ist nicht so weit verbreitet wie in der westlichen Welt. Das bedeutet in weiterer Folge, dass Designerïnnen und Künsterlïnnen gewissermaßen gezwungen sind anders zu arbeiten als ihre Kollegïnnen in den anderen Teilen der Welt. Gleichzeitig haben sich weitere Formen der Konnektivität entwickelt, wie etwa die Praxis eine Festplatte mit Filmen, Serien und anderen Inhalten in der Nachbarschaft herumzureichen, die damit zu einer Art „lokaler Streamingdienst“ wird. Auch Künstlerïnnen arbeiten mit dieser „Plattform“. Und Kunst spielt ganz generell eine große Rolle im Land, da damit aktuelle Geschehnisse und Zustände transportiert und vermittelt werden. Eine der Personen spricht dabei von einer Dreiteilung in politische und ökonomische Kontexte, sowie einen „Insel-Kontext“ als dritte Aufgliederung. Dass diese Formen der Kommunikation erst entstehen, hat mit dieser Diskonnektivität zu tun, die Kuba beherrscht. Deshalb ist das allgemeine Credo auch, dass sich ein digitaler Workflow im Land äußerst schwierig umsetzen lässt. Das Umfeld – so meinen sie – beeinflusst das Schaffen stark bzw. stärker als in westlichen Ländern, da die Technik und die digitalen Welten es einem ermöglichen, das eigene Umfeld eher auszuklammern. Als „Vorschlag“ wurde überlegt Plattformen neu zu denken, basierend auf vier Elementen – der Hardware, der Software, dem Internet an sich, sowie der Ausgestaltung der Plattform. Auch diesen Beitrag empfinde ich als enorm relevant für uns Schaffende. Schon der Gedanke in dieser digitalen Welt vollständig (!) analog zu arbeiten ist mittlerweile kaum vorstellbar. Die Plattformen und die Ökonomie, die mit ihnen verbunden ist, sind mächtig und bestimmen (oder leiten) das Leben vieler von uns. Ohne sie fehlt die Stimme und die Möglichkeit eine Verbindung zu knüpfen, die dann in die „echte“ Welt reicht. Das Thema rund um „connected/disconnected“ ist vielschichtig und lässt noch viele neue Gedanken und Herangehensweisen zu. Als Denkanstoß war der Beitrag allerdings wirklich ideal, und lässt einen nachsinnen über die digitale Welt.
Green / Sampling Color
Im dritten Beitrag spricht Jens Hauser von der Universität Kopenhagen über die Farbe Grün unter dem Titel „Green / Sampling Color“. Mit seinem Vortrag möchte er eine völlig neue Facette über die Betrachtung von Grün aufmachen, die sich so wohl selten irgendwo finden lässt. So ist sein Hauptargument, dass Grün in der heutigen Welt im Grunde genommen „zu gut“ konnotiert ist und zu einfach begriffen werde, was in vielen Fällen ein Fehlschluss sei, so der Wissenschaftler. Es wird beispielsweise ganz klassisch als die ökologische Farbe angesehen, und manchmal auch als Warnfarbe verwendet, wenn es sich um etwas Giftiges handelt. Warum aber fasziniert uns Menschen die Farbe Grün so sehr? Als Diskursmaterial zeigt er ein Video aus den USA wo sich ein Dienstleister auf Grünflächen bzw. Rasenflächen spezialisiert hat. Die „Pflege“ sieht in hierbei so aus, dass bräunliches, vertrocknetes Gras schlicht grün nachgefärbt wird. Dafür wurde eine spezielle Formel entwickelt, die das umweltschonend umsetzen soll – und dieser Service ist mittlerweile sehr beliebt in den trockenen Teilen der USA. Nach Hauser sei Grün ein Fetisch, der sich in solchen Dingen äußert. Es bilde einen Idealzustand ab, der mit Macht und Prosperität einhergehe. Das lasse sich auch gut in Golfstaaten wie Katar sehen, wo die Wüste mit enormem Wasseraufwand begrünt wird. Gleichzeitig ist Grün die Farbe des Islam und ein Symbol für konstante Arbeit. Die Logik ist bestechend: Ein gepflegter Rasen, ein gepflegtes Leben – alles ist in Ordnung. Es verzeihe auch keine Fehler, was zu dieser fetischisierten Stellung zusätzlich beiträgt. Auch Pflanzen haben eine besondere Beziehung zur Farbe Grün. So nehmen sie alle Farben des sichtbaren Spektrums auf – außer Grün selbst, da das von ihnen reflektiert wird und sie dadurch erst grün erscheinen lässt. Im Bereich der Pigmente war Grün über Jahrhunderte äußerst instabil und konnte seine Farbe nicht halten. Stabiles Grün konnte erst durch hochtoxische Bestandteile erreicht werden, wodurch er die Unnatürlichkeit der Farbe nochmals betont. Was ist sein Lösungsansatz zur großen Komplexität der Farbe Grün? Green Studies, die den Namen auch verdienen. Ein Zusammenschluss aus Wissenschaftlerïnnen, die durch eine ausgeprägte Interdisziplinarität zusammenfinden und sich in ihren Forschungen unterstützen. Der Beitrag war spannend anzusehen/anzuhören, da er eine mir völlig neue Sichtweise auf etwas vermeintlich Schlichtes, wie die Farbe Grün, eröffnet hat. Er springt dabei von Themengebiet zu Themengebiet, was ich als sehr bereichernd empfunden habe. Es zeigt sich auch, dass es viele Bereiche einer gestalterischen Perspektive gibt, die sich durch die Betrachtung via anderer Disziplinen völlig neu denken lassen. Das macht es relevant für uns als Designerïnnen, Dinge immer wieder aus neuen Perspektiven zu betrachten, und im besten Fall dafür interdisziplinär zu arbeiten.
Zusammenfassend waren alle drei Beiträge spannend und gut anzusehen, da sie Ideen und Konzepte behandeln, die für aktuelle und zukünftige Designerïnnen und Gestalterïnnen relevant sind. Sie alle haben Sichtweisen aufgezeigt, die sich lohnen sie weiter zu behandeln und in die eigene Tätigkeit einfließen zu lassen. Das gilt auch für das Ars Electronica Festival, das mit seiner Arbeit in diesem Feld agiert und Bereiche zusammenführt, die sich so vielleicht nie gefunden hätten.
Links zu den entsprechenden Beiträgen finden sich hier:
STEAMhouse Specialists: Bio Boxes, Sarah King
https://app.swapcard.com/event/arselectronica2021/planning/UGxhbm5pbmdfNjQ1NTY4
Cuba Garden / Disconnected Experiences
https://app.swapcard.com/event/arselectronica2021/planning/UGxhbm5pbmdfNjUxOTQy
Green / Sampling Color
https://app.swapcard.com/event/arselectronica2021/planning/UGxhbm5pbmdfNjQzNTMz