Intentionales Clipping im Mastering

Im letzten Blogeintrag habe ich einen kleinen Einblick gewährt in die Geschichte des sogenannten Loudness Wars. Dieser basiert aus technischer Sicht auf der dynamischen Einschränkung von Musikstücken mithilfe extremer Kompression, womit hohe Lautsheitswerte erzielt werden können. Klassischerweise werden für diese Aufgabe Kompressoren und vor allem Limiter verwendet. Es gibt allerdings auch noch eine weitere Möglichkeit, um den Dynamikumfang eines Musikstücks einzuschränken – das Clipping. Bei jedem Toningenieur läuten jetzt die Alarmglocken, weil normalerweise gilt, jegliche Form von Clipping im Signalweg zu vermeiden, indem der Pegel in der digitalen Domäne unter der 0 dBFS-Grenze gehalten wird [1]. Das ist auch korrekt und sollte in der Regel so eingehalten werden. Allerdings werden bei Musikrichtungen, wie Metal, Hip-Hop und diversen elektronischen Genres, die für den Club produziert werden, extreme Lautheitswerte erwartet, die klanglich transparenter durch den Einsatz von bewusstem Clipping statt Limiting erzielt werden. Während Limiter Pegelspitzen absenken, indem sie, idealerweise vorausschauend, das Signal analysieren und dann mit den vom Ingenieur eingestellten Attack und Release-Zeiten arbeiten, werden beim Clipping ganz einfach Pegelspitzen ohne Attack- und Release-Wartezeiten abgeschnitten. Dadurch entstehen innerhalb des Zeitraums, in welchem der Pegel die 0 dBFS-Grenze übersteigt Verzerrungen. [2]

Während beim starken Limiting oft Transienten ihre Präsenz verlieren oder ungewolltes Pumpen (anheben und absenken des Gesamtpegels auf Basis der Attack- und Release-Zeiten) entsteht, klingt Clipping oft natürlicher bzw. transparenter und kann sogar Transienten mithilfe der entstehenden Verzerrungen hervorheben.

Bei einer Untersuchung wurde die Hörbarkeit von digitalen Clipping-Verzerrungen ermittelt und man ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Hörbarkeit stark vom Audiomaterial und auch individuell vom Hörer abhängig ist. Daraus kann man schließen, dass für die Anwendung von Clipping ein geschultes Ohr voraussetzend ist und auch das Ausgangsmaterial ausschlaggebend ist, ob und wie schnell Artefakte hörbar werden. [3]

In den 2000er-Jahren kamen für das Clipping hochwertige A/D-Wandler zum Einsatz. Diese wurden mit einem Signal angesteuert, bei welchem die analogen Pegelspitzen bei der Wandlung ins digitale theoretisch 0 dbFS überschreiten würden und deshalb an dieser Stelle geclipped wurden. Die daraus resultierenden Verzerrungen waren entweder kaum hörbar, was auch zu keinen klanglichen Einbußen der Audioqualität geführt hat, oder haben im besten Fall den Klang sogar aufgewertet. [4, 5, 6, 7]

Auf virtueller Ebene gibt es für das Clipping spezielle Plugins, die mit Oversampling-Funktionen ausgestattet sind, um Aliasing-Artefakte so gering wie möglich zu halten. Außerdem bieten viele Clipper verschiedene Steigungskurven an, die aus einem Hard-Clipper einen Soft-Clipper machen, bei welchem leichte Verzerrungungen bereits unterhalb des eingestellten Thresholds auftreten und das Ausmaß der Verzerrung graduell bis zum Threshold ansteigt. [8, 9, 10, 11]

Wie man sieht, sollte Clipping per se nicht als „Fehler“ abgestempelt, sondern vielmehr als Werkzeug des Toningenieurs gesehen werden, das eine Alternative zum klassischen Limiting darstellt. Wenn Clipping bewusst und mit Vorsicht in einer Produktion genutzt wird, kann es sogar in gewissen Musikgenres als stilistisches Element dienen, welches den Klang sogar aufwerten kann. Letzten Endes sollte das Ohr entscheiden, ob der Einsatz eines Clippers sinnvoll ist und besser klingt als ein Limiter.

Zusätzliche Videos:

Quellen:

[1] https://www.delamar.de/faq/dezibel-db-dbfs-dba-30138/

[2] https://integraudio.com/clipper-vs-limiter/

[3] https://docplayer.org/30304861-Zur-hoerbarkeit-von-digitalen-clipping-verzerrungen-the-audibility-of-digital-clipping-artefacts.html

[4] https://www.submissionaudio.com/products/flatline

[5] https://audient.com/tutorial/mastering-for-digital/

[6] https://www.izotope.com/en/learn/audio-clipping-and-creative-uses-of-limiting.html

[7] https://joeysturgistones.com/blogs/learn/the-beginner-s-guide-to-clipping-correctly

[8] https://www.siraudiotools.com/StandardCLIP.php

[9] https://www.voxengo.com/product/ovc128/

[10] https://kazrog.com/products/kclip-3

[11] https://vennaudio.com/free-clip