Sinti und Roma in der Fotografie
Der Schatten einer Hand, zu einem Kreis geformt, wandert über ein auf eine Leinwand projiziertes Schwarz-Weiß Bild. Was sehen wir auf dieser Fotografie? Was wollen wir sehen? Was können wir sehen? Welche Macht hat ein Bild? Welche Macht hat die Interpretation des Betrachters*in?
“It is our civil responsibility to participate in the politics of photography and to turn the critical gaze away from the described towards the observer form the object to the subject.”[1]
Fotografien tragen Macht in sich. Sie zeigen einen bestimmten Augenblick aus einer bestimmten Perspektive. Danach überlassen sie das Bild der Interpretation des*r Betrachters*in.
„We need photographs which represent us to our full human dignity which make our memories repressed and lost from collective memory visible to all”.
In den Archiven gibt es vor allem Fotographien von Sinti und Roma, die von Nicht-Roma und Nicht-Sinti Fotografen. Nicoleta Bitu, Präsidentin des Demokratischen Bundes der Rumänischen Roma, erklärt, dass die Fotopolitik vor allem eine strukturelle Machtbeziehung zeigen soll. Historische Fotografien zeigen Sinti und Roma aus einem exotischen Betrachtungswinkel.[2]
Willi Sylvester Horvath sagt im Interview: „Wir haben das Problem, dass diese Verklärtheit und diese Romantik, die rund um die Roma und Sinti besteht, noch immer in ein falsches Bild leiten. Wir haben aber auch wenn es jetzt darum geht darzustellen, wie die Roma heute leben, von medialer Seite keine Unterstützung.“ [1]
Ethel Brooks, Außerordentliche Professorin der Rutgers Universität, USA, wünscht sich in den Archiven mehr Familienfotos von Sinti und Roma, die eben den Alltag zeigen und „wo Menschen einfach nur Menschen sind.“[1]
Ursprüngliche Beschriftungen von Fotografien in Bilderarchiven zeigen rassistische, suggestive, stereotypische Bildunterschriften und Darstellungsweisen. Bleiben diese kommentarlos, wird das stereotypische Bild weitergetragen. Allein diese richtig zu stellen, reicht nicht aus. Die Archivdarstellung muss hinterfragt werden.[4]
RomArchive zeigt auf ihrer Homepage eine intensive Auseinandersetzung mit Fotografien von Sinti und Roma. Dabei betrachten sie den historischen Umgang und zeigen Wege für eine zukünftige Aufarbeitung. Hierfür interviewen sie Fotohistoriker Anton Holzer, Nicoleta Bitu (Präsidentin des Demokratischen Bundes der Rumänischen Roma), Gilda Horvarth (Österreichische Journalistin) , Ethel Brooks (Außerordentliche Professorin Rutgers University, USA), Chad Evans Wyatt (Fotograf, USA) und Ágnes Daróczi (Kulturmanagerin, Journalistin, Ungarn).
“It is our responsibility and our right granted by the democratic state by itself to choose what we see in pictures: Do we see strangers? Or do we see fellow citizens? “ [1]
RomArchieves will mit den Artikeln und Interviews dazu aufrufen, unsere Interpretation von Bildern zu hinterfragen und fordern eine „menschenwürdige Nutzung von Fotografien in Medien und Archiven“.
“How do you tell that story? How do we tell that story? As something that is outside the dominant narratives, and officials narrative of how we understand Romany people, Romany history.” Ethel Brooks, Associate professor, Rutgers University, USA
Diese Frage können wir uns alle stellen: Aus welcher Perspektive betrachten wir Fotografien? Wie können wir unsere Perspektive wechseln? Sind wir in der Lage stereotypische Darstellungen zu entlarven? Können wir uns unseren eigenen Stereotypen bewusst werden und uns von diesen befreien?
[1] Video: Politics of Photography: https://www.romarchive.eu/de/politics-photography/politics-photography/collecting-photographs-assembling-numbers-suspecti/ [27.11.2020]
[2] https://www.romarchive.eu/de/politics-photography/politics-photography/collecting-photographs-assembling-numbers-suspecti/
[4] https://www.romarchive.eu/de/politics-photography/challenges-archive/against-grain-photographs-roma-und-sinti-and-power/