Roma-Gruppen überlieferten ihre Geschichten vor allem mündlich. Die alphabetische Schrift wurde vor dem 20. Jahrhundert zur Kommunikation mit Nicht-Rom_nja zu wirtschaftlichen und offiziellen Anliegen genutzt.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begannen Schriftsteller*innen und Dichter*innen vermehrt ihre Werke schriftlich zu verfassen. Dies lag einem neuen Selbstbewusstsein zu Grunde, mit dem sich Rom_nja und Sinti_ze für eine kulturelle und politische Anerkennung und Eigenständigkeit einsetzen.[1] Themen waren vor allem die „Verfolgung, Diskriminierung und jahrhundertelang tradierte symbolische Repräsentationen.“[2]
Die Texte sind in der Sprache Romanes aber auch zahlreichen anderen Sprachen wie zum Beispiel Russisch oder Tschechisch verfasst.[3] Romanes ist mit dem indischen Sankrit[4] verwandt.
Mit der Gründung der Vereinigung der Roma-Schriftsteller wurde zwischen 1990 und 1992 „mehr Roma-Literatur veröffentlicht als in der ganzen 600-jährigen Geschichte der Roma auf dem Gebiet der Slowakischen und Tschechischen Republik“[5]. Zuvor wurde die „Verwendung [von Romanes] im öffentlichen Raum sanktioniert und […] von mehreren Roma selbst abgelehnt“.[6]
Die Welle der Romani-Literatur lies das „sprachliche und kulturelle Erbe […] revitalisieren“. [7] Teilweise wurden AutorInnen aber auch von Roma mit „traditionellen Sichtweisen“[8] kritisiert, da sie Themen wie Geschlechtergewalt aufarbeiteten.
Der Begriff Romani-Litaratur ist umstritten. Manche Autor*innen wollen sich der „Zugehörigkeit und Identifikation“ mit der „ethischen Identität“ entziehen, „da die Gefahr besteht, dass ihre Werke nur unter dem Blickwinkel „Roma-Literatur“ bzw. – exotisch – als ‚Zigeuner-Literatur` rezipiert und andere Komponenten ihres literarischen Werks vernachlässigt werden.“[9]
Wichtige Inhalte der Roma-Texte sind „romano čačipen (Wahrheit / Realität)“ ebenso wie das „Geheimnisvolles und Rätselhaftes“. [10] „Die Kraft eines Wortes wird in der traditionellen Roma-Gemein-schaft viel mehr geschätzt – ein Wort kann als guter oder böser Zauber wirken“.[11] Magische Wörter sind beispielsweise „jilo (Herz) / phuterel o jilo (das Herz öffnen), jekhetane (zusammen), phrala (Brüder), manuš (Mensch)“.[12]
[1] Vgl. Romarchive: Roma, ein `schriftloses Volk`? https://www.romarchive.eu/de/literature/roma-and-writing/ [31.01.2021]
[2] Beate Eder-Jordan: „Imagining it otherwise“. Der (un)sichtbare Paradigmen-wechsel im Bereich der Romani-Literaturen und -Kulturen: https://www.uibk.ac.at/iup/buch_pdfs/roma-und-travellers/10.152032936-95-0-4.pdf [31.01.2021]
[3]Vgl. Romarchive: Literatur: https://www.romarchive.eu/de/literature/[31.01.2021]
[4] Bogdal: Europa erfindet die Zigeuner. S.171
[5] Ebd. S.62.
[6] Beate Eder-Jordan: „Imagining it otherwise“. Der (un)sichtbare Paradigmen-wechsel im Bereich der Romani-Literaturen und -Kulturen:S.62
[7] Ebd. S. 63.
[8] Ebd. S.63.
[9] Ebd.:S.60
[10] Ebd. S.54
[11] Milena Hübschmannová: Meine Begegnungen mit dem Šukar Laviben der Roma in Roma und Travellers. Identitäten im Wandel. S.365.
[12] Ebd.