Erotische Appelle in der Werbung

Schierl, Thomas: Text und Bild in der Werbung. Bedingungen, Wirkungen und Anwendungen bei Anzeigen und Plakaten: Halem Verlag, Köln 2001
Kapitel 4.2 Emotionen, 4.2.2 Emotionale Apelle, 4.2.2.1 Erotische Apelle S. 107 – 111

Erotische Reize in der Werbung werden schon seit weit über hundert Jahren eingesetzt, um auf Produkte aufmerksam zu machen. Diese Werbemethode wird “Sex Sells” genannt, weil diese erotischen Appelle schon unzählige Werbeerfolge ermöglicht haben.
Die ersten Werbetexte auf nackten Frauenrücken gab es bereits um 1880. Etwa 10 Jahre später wurde bereits direkte Nacktheit eingesetzt, um auf die Anzeigen aufmerksam zu machen.

Auch wenn sexuelle Werbung heute nicht mehr so häufig für Skandale sorgt wie in ihren Anfängen, wird sie dennoch oft kritisiert. Nämlich dann, wenn die Erotik in eine sexistische Richtung geht.
Diese Form der Werbung erreichte in den 70er Jahren ihren Höhepunkt – sexuelle und erotische Reize waren aus der Werbung nicht mehr wegzudenken. Fast jedes Produkt wurde mit Sex beworben, auch wenn es keinen Zusammenhang mit der Werbebotschaft gab. Selbst öffentliche Institutionen und politische Parteien griffen auf sexuelle Werbung zurück.

Menschen antworten auf erotische Reize mit physiologischen Reaktionen. Wird männlichen Versuchspersonen zum Beispiel die Abbildung einer nackten Frau gezeigt, erweitern sich die Pupillen des Betrachters.
Das heißt aber nicht, dass erotische Reize in der Werbung generell die Werbewirkung verbessern. Es kommt auch darauf an, ob der Betrachter eine Verbindung zwischen dem erotischen Appell und der Werbebotschaft herstellen kann.

Weitere Erkenntnisse aus der Werbeforschung
zitiert aus Schierl, Thomas: Text und Bild in der Werbung. Halem Verlag, Köln 2001

Erotische Appelle entfalten ihre Wirkung auf Männer wie auch auf Frauen. (Messaris 1997, S.48f.)

Werbung mit Sex muss nicht in jedem Fall zu einer besseren Markenerinnerung führen als eine Werbung ohne Sex. (Steadman, nach Mayer 1979).

Der Grad von Nacktheit in der Werbung wirkt sich nicht negativ auf die Markenerinnerung aus. (Alexander/Judd 1978)

Die Erinnerungsleistung des Rezipienten bei erotisch getönter Werbung hängt auch von der jeweiligen grundsätzlichen Einstellung des Betrachters zu sexueller Werbung ab. Wer Sex in der Werbung positiv oder zumindest neutral sieht, erinnert sich besser an derartige Werbung. (Steadman) Unter Umständen ist die Markenerinnerung sogar bei einem neutralen Standpunkt am größten. Wer solche Werbung dagegen ablehnt, der erinnert sich weniger daran (Alexander/Judd 1978).

Die Verwendung expliziter sexueller Motive in der Werbung hat keinen negativen Einfluss auf die Markenerinnerung, wirkt sich aber unter Umständen negativ auf die Erinnerung von Inhalt und Verstehbarkeit inhaltlicher Aspekte der Werbebotschaft aus (Severn/Belch/Belch 1990).

Insbesondere bei Produkten, die einem Rezipienten irgendwie sexuell relevant erscheinen, wird erotisch getönte Werbung als interessanter, origineller, unterhaltender aber auch aggressiver eingeschätzt und verstärkt die Kaufbereitschaft. (Severn/Belch/Belch 1990)

Wenn sexuelle Appelle effizient sein sollen, muss zwischen Marke und erotischem Motiv ein glaubhafter und nachvollziehbarer Bezug hergestellt werden können. (Eigler 2000, S.77)

Einfluss von erotischen Appellen auf die Wahrnehmung und Bewertung von Produkten

Erotische Reize können sowohl die Wahrnehmung als auch die Bewertung des beworbenen Produktes beeinflussen. Bei falscher Anwendung können sexuelle Appelle vom eigentlichen Zweck der Werbung ablenken, da sie den überwiegenden Teil der Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Auch die Bewertung von Produkten und Marken kann sowohl positiv als auch negativ beeinflusst werden. Bei der Analyse von Automobilwerbung wurde nachgewiesen, dass ein Auto, das mit einem attraktiven weiblichen Model beworben wurde, das Fahrzeug als ansprechender, jugendlicher, teurer, schneller, stärker und schöner im Design beurteilt wurde. Allerdings bewerteten die Betrachter das Fahrzeug auch unsicherer.

Autowerbung von 1966 für den Dodge Coronet.

Bevor man also erotische Reize in der Werbung einsetzt, muss man sich überlegen, welche Wirkung die Reize auf das Produktimage haben, wen man erreichen will, welche Verbindung man zur Marke herstellen kann und dass manche Menschen den Einsatz erotischer Werbung schlichtweg ablehnen.