Pink Elephants on Parade – Szenenanalyse aus dem Disneyfilm Dumbo

Wie man in den vorherigen Blogposts schon lesen konnte, sind Berauschung und Rauschzustände Themen in aldlen Kulturräumen und Gesellschaftsgruppen. Es handelt sich um ein universelles Phänomen, das als Suchmittel, zu medizinischen Zwecken aber auch zur künstlerischen Anregung oder als Inspirationsquelle genutzt wird. Wenn ein Rauschzustand in einem Film thematisiert wird, spielt auch die musikalische Untermalung eine wichtige Rolle.

„The interpenetration of music with trancing is ancient and universal. I suspect that most, if not all, societies have some form of institutionalized, religious trance ceremonies that also include music. […] Musical immersion stimulates emotion and faciliates their [trancers] special attentiveness, their special consciousness.”[1]

Musik nimmt auch eine zentrale Rolle in Disneyfilmen ein. Deshalb wird in diesem Blogpost der Zusammenhang von Rauscherfahrungen im Film und der zugehörigen Filmmusik am Beispiel einer Rauschszene eines Disneyfilms näher erläutert. Die aktuelle Zeichentrickfilmmusikforschung beschäftigt sich auch mit diesem Thema und ist zu dem Entschluss gekommen, dass Musik in vielerlei Hinsicht im Zusammenhang mit Drogenerfahrungen steht. Unter Drogeneinfluss kommt es zu einer Sensibilisierung verschiedener Sinne wie dem Hörsinn, Sehsinn, Geruchssinn oder auch der allgemeinen Gefühlslage. Deshalb erlebt man Musik im Rauschzustand ganz anders als wenn man nüchtern ist. Alles wirkt intensiver, man nimmt es oft mit einer ekstatischen Begeisterung wahr und sieht eine tiefere Bedeutung dahinter. Musik wird in veränderten Bewusstseinszuständen deshalb auch genutzt um neue, noch nicht erschlossene Bewusstseinsregionen zu entdecken.[2]

Mit diesem Vorwissen soll dieser Blogpost eine Erweiterung des Posts „Warum Walt Disney immer schon als Vorreiter im Bereich psychedelischer Szenen im Animationsfilm galt.“ darstellen und die Szene Pink Elephants on Parade aus dem Film Dumbo, der erstmals 1941 erschien, analysieren. Dumbo war der vierte ausgedehnte Zeichentrickspielfilm von Disney und handelt von einem Elefanten mit riesigen Ohren, der sein Leben lang immer ausgegrenzt und als Außenseiter behandelt wurde und dann nach einer psychedelischen Erfahrung, induziert durch die unbeabsichtigte Einnahme von Alkohol, an einen Wendepunkt geriet. Er erlitt im Laufe seines Lebens immer wieder verschiedene Traumata und brauchte einen Mentor, in dem Fall seinen Freund Timothy Mouse, der an ihn glaubt und einen Katalysator, in dem Fall den Rausch, um diese zu verarbeiten und etwas Positives daraus ziehen zu können. Während seines Rauschzustandes sieht er pinke, tanzende Elefanten am Nachthimmel. Bildhafte Fantasien und die dazugehörigen Gefühlszustände helfen ihm in diesem Fall in sein Inneres vorzudringen und seine inneren Konflikte bzw. seine alten Traumata zu bewältigen.

Dumbo Pink Elephants on Parade HD - YouTube
Elefantenherolde

Der LSD Forscher Stanislav Grof entwickelte das Konzept der perinatalen Erfahrung unter Drogeneinfluss. „Unter der Voraussetzung, „daß [sic!] diese Substanz ein unspezifischer Verstärker psychischer Prozesse ist, der aus der Tiefe des Unbewußten [sic!] Elemente der verschiedensten Art an die Oberfläche bringt“[3] setzte er sich in den 70er Jahren für den therapeutischen Einsatz von LSD ein. Er und auch andere Drogenforscher würden in Dumbos Fall von einer Rauscherkenntnis, die außerhalb des rational-sinnlichen Wachbewusstseins gemacht wurde und so Einsichten vermittelt, die das herkömmliche Erkenntnisvermögen übertreffen, sprechen.[4] In Dumbos Vision der pinken Elefanten, konnte er fliegen und als er nach dieser psychedelischen Erfahrung wieder erwachte fand er sich auf einem Baum wieder, den er nur erreichen konnte, weil er tatsächlich hinaufgeflogen ist. Somit wurde er in seinem Rausch dazu inspiriert zu fliegen, was ihm half seine Traumata zu überwinden. Um das Thema Musik wieder aufzugreifen kann man auch die akustischen sowie die musikalischen Merkmale dieser Schlüsselszene analysieren. Denn Musik nimmt Einfluss auf die Stimmung und kann genauso wie die aktuelle Stimmungslage Einfluss auf den Verlauf des Rausches oder Trips nehmen. Da Dumbo sehr traumatisiert ist, fängt sein Trip eher wie ein Horrortrip an. Aus einer großen Sektblase aus seinem Rüssel bilden sich vier pinke Elefanten, deren Rüssel sich zu Trompeten formen. Diese vier Elefanten stehen für Herolde, die in der Geschichte wichtige Ereignisse mit Trompeten ankündigten. In Dumbos Fall markierten die Elefantenherolde nicht den Beginn einer Euphorie, sondern den einer Schreckensvision. „Die Musik ist hierbei Anzeichen und Auslöser zugleich“[5] Nach den Elefantenherolden ist eine Parade zu sehen, die von einem Marsch in Moll von Edward H. Plumbs begleitet wird. Schepperndes Blech, Xylophone und Glockentöne sind zu hören. Zeitgleich sind beängstigende Bilder von Elefanten zu sehen. Danach folgt der Song Pink Elephants on Parade, der vom Volksensemble The Sportsman intoniert ist. Der Horrortrip, der mit Elefantenherolden startet und dann Grimassen und Masken abbildet wandelt sich langsam zu bunten, bewegten Formen. Die Dysphorie wandelt sich zu Euphorie und die marschierenden Elefanten werden zu tanzenden Elefanten. Der Tanz erinnert an einen lateinamerikanischen Mambo und vermittelt eine sehr sorglose, positive und befreite Stimmung.

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Die langen instrumentalen Passagen, das Verwenden verschiedener exotischer Instrumente und die Vereinigung unterschiedlicher Musikstile und Stimmungen, fanden sich auch im späteren psychedelischen Rock wieder.[6] Was Pink Elephants on Parade zu einer wichtigen Inspirationsquelle macht und Einfluss auf viele nachfolgende Rauschszenen aber auch musikalische Werke hat.


[1] Becker, Judith: Deep Listeners Music, Emotion and Trancing, Bloomington 2004, S. 1

[2] Herzfeld, Gregor: Disney psychedelisch. Musik und Rausch im Zeichentrickfilm, Acta Musilogica 214, Vol 86/1, S. 131

[3] Grof, Stanislav: Topographie des Unbewussten.LSD im Dienst der tiefenpsychologischen Forschung, G.H. Müller, Stuttgard 1978, S. 14

[4] Herzfeld, Gregor: Disney psychedelisch. Musik und Rausch im Zeichentrickfilm, Acta Musilogica 214, Vol 86/1, S. 134

[5] Ebda. S. 139

[6] Ebda. S. 140