Binaurale Ansätze für räumliche Sounddarstellung basieren auf der Idee, dass die beste Reproduktion von natürlichem räumlichem Hören dadurch erreicht wird, dass die Ohren der HörerInnen mit denselben Signalen versorgt werden, welche im ursprünglichen Aufnahmeort während des natürlichen Hörens auftreten würden.
Im besten Falle zielt die binaurale Technik dahingehend, alle räumlichen Marker im Sound wiederzugeben die benötigt werden um ein räumliches Wahrnehmungserlebnis bei HörerInnen zu erschaffen.
Verschiedenste Faktoren wie die Position und Form der Ohren, Form des Torsos und Ausrichtung des Kopfes spielen hier eine unmittelbare Rolle. Ohne spezielle aukustische und psychoakustische Effekte ist die Wiedergabe vorerst nur über Kopfhörer möglich, da bei ihnen pro Ohr jeweils ein Channel übertragen wird.
Diese Separation der beiden Channel ist sehr günstig für die Wiedergabe von binauralen Stereoaufnahmen da sich die Kanäle in Timing und Amplitude, ähnlich dem Abschirmungseffekt des Kopfes, unterscheiden können.
Die Idee, Sound genauso darzustellen wie er normalerweise gehört wird lokalisiert sich historisch unmittelbar am Beginn des Audio-Universums:
Im Jahr 1881 installierte der französische Radio- Luftfahrtpionier Clement Ader, zum ersten Mal in der Geschichte zwei Mikrofone an der Bühnenkante der Opera Graniere und leitete das Signal über Telefonkabel zu HörerInnen, welche in einer Telefonkabine zwei Kilometer entfernt warteten. Das sogenannte „Theatrophon“ zog rasch die Aufmerksamkeit europaweiter Theater auf sich und so wurde auch Menschen außerhalb des Theaters die Möglichkeit der Unterhaltung geboten. Da es sich um 2 getrennte Mikrofone handelt, welche jeweils die Signale diskret an jeweils ein Ohr weiterleiten, spricht man hier von der ersten binauralen Erfindung.1
Etwa 50 Jahre später wurde “Oscar” zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt. “Oscar” ist ein Dummykopf dem auf auf jeder Wangenseite ein Mikrofon eingebaut wurde. Für das Projekt war Harvey Fletcher verantwortlich. Fletcher wird wegen seiner Experimente mit räumlichem Hören in der 1930ern auch oft als der „Vater der Stereofonie“ 2 bezeichnet.
Es dauerte beinahe weitere 40 Jahre bis das Konzept der binauralen Mikrofonierung den Weg in die Kommerzialisierung fand. Mit KU-80 brachte die Firma Neumann das erste binauralen Kunstkopfmikrofon für die breite Öffentlichkeit auf den Markt.
Lou Reed nahm 1978 mit “Street Hassle” das erste binaurale Album der Geschichte auf.
1 Audio Hooke, “The History of Binaural Audio, Part I: The First Experiments, 1881-1939,” July 27, 2017, https://hookeaudio.com/blog/binaural-3d-audio/the-history-of-binaural-audio-part-1/. 30.11.20
2 https://www.bell-labs.com/about/recognition/1978-cosmic-microwave-background/ 30.11.20
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