Die Wirkung von Game Sound auf Emotionen (Teil 1: Emotionen & Diegetisierung)

Sound trägt in audio-visuellen Medien eine maßgebliche Rolle an der Beeinflussung der emotionalen Stimmung des Konsumenten. Wer bereits einen Filmausschnitt ohne oder mit einer anderen Tonspur gesehen hat, weiß, dass dieser, abseits eines fehlenden oder verfälschten Inhalts, auch eine vollkommen andere Wirkung erzielt. In Videospielen trifft dies auch zu. Der wesentliche Unterschied ist, dass ein Film ein lineares Medium ist, bei welchem der Ablauf, die Reihenfolge der Handlung und somit auch die Länge der Sequenzen bestimmt sind und der Zuschauer keinen Einfluss darauf hat. Videospiele hingegen sind überwiegend nicht linear aufgebaut und der Spieler kann diverse Parameter hinsichtlich Handlung, Reihenfolge, und zeitlicher Dauer selbst bestimmen. Das hat zur Folge, dass klangliche Elemente im Spiel diesen Anforderungen gerecht werden müssen und somit auch dynamisch abrufbar sind. Dieses Prinzip wird adaptive bzw. dynamic Game Sound bezeichnet.

Die meisten Studien und Theorien, die sich mit der emotionalen Wirkung von Sound beschäftigen, beziehen sich auf lineare Medien. Da dies aber in der Form nicht auf Videospiele übertragbar ist, müssen Erkenntnisse aus anderen Themenfeldern, wie der Psychologie, der Musikwahrnehmung, Film-Sound und den interaktiven Medien hinzugezogen werden.

Zunächst einmal gilt es den Begriff der Emotion zu klären. Keith Oatley und Jennifer M. Jenkins beschreiben Emotionen wie folgt:

  • Emotionen entstehen bei Personen (bewusst oder unbewusst) bei der Beurteilung eines bedeutsamen Ereignisses im Zusammenhang eines Ziels oder einer Situation.
  • Der Kern einer Emotion ist die Bereitschaft zu handeln. Emotionen beeinflussen das Handeln, indem sie eine gewisse Bandbreite an möglichen Handlungsoptionen liefern und einen Sinn für die Notwendigkeit bestimmen.
  • Eine Emotion wird als eine distinktive Art von mentalen Zuständen wahrgenommen, begleitet oder gefolgt von körperlichen Veränderungen, Ausdrücken oder Handlungen

Emotionen sind also verantwortlich für die Beurteilung von Situationen und suggerieren die Art und Notwendigkeit von Handlungen und Reaktionen.

Wie ist es nun möglich, dass der Zuschauer beim Film oder der Spieler beim Videospiel Emotionen fühlt, obwohl dieser nur Beobachter ist und das Gesehene eine Fiktion ist, die man nicht real erlebt? Der Psychologe Nico H. Frijda geht davon aus, dass Emotionen bei fiktiven Ereignissen entstehen, sobald das menschliche Gehirn die Fiktion als eine Realität annimmt. Es entsteht quasi eine mentale Illusion, bei welcher das Medium, also der Film oder das Videospiel, ausgeblendet wird und die Bedingungen und Zusammenhänge der erzählten Welt plausibel erscheinen und man sich somit in die Charaktere hineinversetzen kann. Dieses Phänomen heißt Diegetisierung. Dieses Phänomen wird auch willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit genannt

Quellen:
https://www.researchgate.net/publication/233406205_Psychologically_motivated_techniques_for_emotional_sound_in_computer_games

https://filmlexikon.uni-kiel.de/index.php?action=lexikon&tag=det&id=122#:~:text=Die%20Diegese%20ist%20das%20Produkt,der%20erz%C3%A4hlten%20Welt%20aufzubauen%20etc%20.

Die Aussetzung der Ungläubigkeit von Peter Jackson

Frijda, N. H. 1986. The emotions. Cambridge University.

Oatley, K. and Jenkins, J. 1996. Understanding Emotion. Blackwell Publishing.