Künstliche Intelligenz in der Tonproduktion

In den letzten Jahren sind verschiedene AI-basierte Produkte in der Welt der Tonproduktion angekommen. Dabei erfreuen sich Online-Mastering-Dienste, wie LANDR oder eMastered einer großen Popularität [1, 2]. Diese Dienste erlauben ein schnelles Mastering von Musikstücken per Drag & Drop auf Basis von AI-Technologien. Der Dienst Aria bietet sogar ein automatisches Mastering mit der Einbindung analoger Hardwareprozessoren an, die von einem Roboterarm gesteuert werden [3]. Wer mehr Kontrolle über das Mastering haben möchte, kann auch mit Izotopes Mastering-Suite Ozone sein Musikstück analysieren sich eine AI-generierte Bearbeitung mittels verschiedener Module vorschlagen lassen, in die man jedoch auch noch selbst eingreifen kann [4]. Gullfoss von Soundtheory arbeitet ebenfalls mit künstlicher Intelligenz und dient als Werkzeug, das Maskierungseffekte erkennt und diese, so gut wie möglich, beseitigt [5]. Dabei werden zu dominante Frequenzanteile abgesenkt und Frequenzanteile, die eigentlich maskiert werden würden, mittels eines dynamischen Equalizers angehoben. Das Resultat ist im Optimalfall ein detailreicheres Signal.

Auch hat AI den Weg in die Komposition gefunden und schon teilweise erstaunliche Ergebnisse erzielt. Vor kurzem wurde ein Projekt namens „Lost Tapes of the 27 Club“ veröffentlich, bei welchem Musikstücke von Künstlern analysiert wurden, die zum „Club 27“ gehören – also die im Alter von 27 Jahren verstorben sind – und auf dieser Basis Kompositionen im selben Stil geschaffen wurden.

Aus der Beschreibung des Projekts kann man allerdings entnehmen, dass nur die musikalischen Elemente von künstlicher Intelligenz erstellt wurden. Ein Toningenieur hat diese Elemente letzten Endes noch arrangiert und zu vollständigen Songs zusammengefügt. Hierbei wäre es interessant zu wissen, welches Material die AI generiert hat und wie viel kreative Arbeit der Toningenieur übernommen hat. [6]

Jetzt stellt sich die allgemeine Frage: Ist der Beruf des Toningenieurs bzw. des Kunstschaffenden im Audiobereich durch künstliche Intelligenz bedroht? Das lässt sich nicht so einfach beantworten. Künstliche Intelligenz wird früher oder später technisch einwandfreie Ergebnisse liefern können, jedoch ist die Tonproduktion auch vor allem ein kreativer Prozess, bei welchem intuitive Entscheidungen auf Basis von Geschmack und Emotionen getroffen werden. Diese sind viel tiefer in der Psyche des Menschen verankert und bilden sich aus mehreren Faktoren als nur aus der Auswertung ähnlicher Musikstücke desselben Genres [7]. Künstliche Intelligenz betrachtet Musik und Menschen nicht ganzheitlich und kennt somit auch keine Emotionen, die mit Musik verbunden sind. Davon ist künstliche Intelligenz auch noch weit entfernt.

Ein weiterer Punkt, der durch künstliche Intelligenz nicht abgedeckt ist, ist der Austausch und das Feedback zwischen den verschiedenen Schritten einer Audioproduktion. Ein AI-basiertes System lässt quasi blind einen Algorithmus über ein Musikstück laufen, während z.B. ein Mastering-Ingenieur sich das Material anhört und Feedback an den Mixing-Ingenieur oder Produzenten geben kann, damit die Probleme in einem der vorherigen Schritte behoben werden können, wo die Möglichkeiten zur Fehlerbehebung größer sind und dadurch auch das klangliche Resultat in der Regel besser ist. Diese beratende Funktion fehlt bei AI-Algorithmen komplett, spielt aber eine wesentliche Rolle bei einer Audioproduktion.

Zu einem gewissen Grad umgehen viele Online-Mastering-Nutzer dieses Problem, indem sie ein AI-generiertes Mastering lediglich nur als Referenz nutzen, um auf dieser Basis Probleme in der Mischung oder einem der vorherigen Produktionsschritte zu beseitigen [8].

Aktuell ist künstliche Intelligenz in der Audioproduktion noch kein gleichwertiger Ersatz für einen erfahrenen Toningenieur, Produzenten usw. Allerdings haben AI-Technologien eine Daseinsberechtigung und können auch einen Mehrwert bieten. Ob sie jemals eine Konkurrenz für den Menschen darstellen werden, kann man nicht genau sagen. Aktuell ist der technische Stand noch nicht weit genug, um kreative Schaffensprozesse auf demselben Niveau, wie dem eines Menschens, nachzuahmen.

Weitere Links:

[1] https://www.landr.com/de/

[2] https://emastered.com/

[3] https://ariamastering.com/

[4] https://www.izotope.com/en/learn/how-to-use-master-assistant-in-ozone.html

[5] https://www.soundtheory.com/home

[6] https://losttapesofthe27club.com/

[7] S.4 https://www.researchgate.net/publication/328683918_Listening_without_ears_Artificial_intelligence_in_audio_mastering

[8] S. 12 https://www.researchgate.net/publication/328683918_Listening_without_ears_Artificial_intelligence_in_audio_mastering