Mensch-Natur-Hybride im Animationsfilm

Im Animationsfilm werden seit jeher Menschen und Natur abgebildet. Doch abseits von klassischer Darstellung werden auch immer wieder Mischformen von Mensch und Natur gezeigt. In entsprechender Fachliteratur wurden diese Hybride bislang weitestgehend vernachlässigt. Dies könnte daran liegen, dass die Gesamtheit der möglichen Mischformen bislang noch nicht erkannt bzw. zumindest noch nicht benannt wurde. Aus diesem Grund wird hier ein Ansatz eines Modells zur Kategorisierung von Mensch-Natur-Hybriden im Animationsfilm vorgestellt.

Solche Mischformen lassen sich generell in zwei Gruppen kategorisieren: optische sowie symbolische Mensch-Natur-Hybride.

1. Optische Mensch-Natur-Hybride

Unter dieser Art der Mischform versteht man, dass optische Elemente des Menschen mit jenen der Natur verschmelzen. “Optisch” umfasst hierbei jedoch die gesamte visuell wahrnehmbare Erscheinung, also nicht nur das Aussehen an sich, sondern auch die Bewegung eines solchen Hybridwesens.

Das Aussehen der singenden Blumen in Alice im Wunderland deutet zwar leicht auf einen menschlichen Charakter hin, doch viel stärker wird dieser durch die anthropomorphen Bewegungen und nicht zuletzt durch das gesprochene Wort (bzw. Gesang) vermittelt.

Singende Blumen in Alice im Wunderland

Diese Mischform ist zumeist besonders leicht als solche erkennbar, je nachdem wie stark die einzelnen Komponenten von Mensch und Natur ausgeprägt sind.

Weiters kann man solche optischen Mensch-Natur-Hybride noch hinsichtlich der zeitlich Beständigkeit ihrer Form unterteilen. Denn während manche Mensch-Natur-Hybride den gesamten Film hinweg die selbe Mischform beibehalten, kann sich diese bei manch anderen im Laufe des Films verändern. Daraus ergeben sich Permanent-Optische und Metamorphisch-Optische Mensch-Natur-Hybride als Unterkategorien.

1.1 Permanent-Optische Hybride

Permanent-Optische Mensch-Natur-Hybride zeichnen sich dadurch aus, dass sie den gesamten Film über in Form eines Mischwesens auftreten. Ausschlaggebend dabei ist, dass die Elemente aus Mensch und Natur stets als solche erkennbar sind, unabhängig vom Grad der Hybridisierung bzw. dem “Mischverhältnis”.

Beispiele für solche anthropomorphen Naturwesen ist etwa der baumartige Groot in Guardians of the Galaxy, die Steinriesen in Frozen 2 oder der ähnlich steinerne Puck in der animierten Live-Performance Dream.

Groot in Guardians of the Glaxy
Steinriesen in Frozen 2
Steinerner Puck in Dream

1.2 Metamorphisch-Optische Hybride

Metamorphisch-Optische Mensch-Natur-Hybride hingegen zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Form im Laufe des Films verändern. Diese Veränderungen können recht unterschiedlich sein und reichen vom simplen “erwachen” bis zu einer ganz grundlegenden Veränderung der Form.

Großmutter Weide in Pocahontas oder die singenden Blumen in Alice im Wunderland sind nicht dauernd beseelte Pflanzen. Es handelt sich dabei um Pflanzen, die lediglich zu einem gewissen Zeitpunkt etwas menschliches annehmen – in diesem Fall ein Gesicht sowie anthropomorphe Gesichts- und Körper-Bewegungen. Im Gegensatz dazu kann man bei den Steinriesen in Frozen 2 auch im schlafenden Zustand die menschlichen Elemente erkennen.

Großmutter Weide in Pocahontas

Entgegen zum simplen “erwachen” von Hybriden legen andere Filmbeispiele einen großen Fokus auf die Metamorphose selbst. In Caminho Dos Gigantes etwa ist diese Metamorphose vom Menschen zum Baum ein zentrales Element des Filmes und unterstreicht das Thema des Kreislaufes des Lebens.

Metamorphose in Caminho Dos Gigantes

2. Symbolische Mensch-Natur-Hybride

Bei einer symbolischen Hybridisierung werden Mensch und Natur nicht auf visueller, sondern auf einer symbolischen Bedeutungsebene miteinander verknüpft. Daher ist diese Mischform nicht sofort als solche erkennbar, sondern ergibt sich erst durch den Kontext des Filmes.

Bei symbolischen Hybriden wird die Identität eines menschlichen Filmcharakters aufgesplittet auf sowohl die ursprünglich visuelle, menschliche Darstellung, als auch auf die Repräsentation durch ein Element der Natur. So kann etwa eine Pflanze, aber auch ein gesamter Wald oder das Meer symbolisch für einen Filmcharakter bzw. einen Teil davon stehen.

In einer Vielzahl von Filmen wird ein (abwesender) Charakter mittels eines Props symbolisch repräsentiert – und somit auch oftmals in Form von Elementen der Natur, wie etwa einer Blume oder einem Baum. In The Tree pflegt und beschützt der Vater einen Baum, der ihn an seine verlorene Tochter erinnert. Die Beziehung des Vaters zum Baum ist symbolisch gleichzusetzen mit jener zu seiner Tochter.

Vater pflegt den Baum in The Tree

Der Kurzfilm Sonder bedient sich im großen Ausmaß an symbolischer Hybridisierung. So etwa steht die Blume, die der Protagonist auf seiner Reise mit sich trägt, für seine Geliebte, die er verloren hat. Ähnlich wie in The Tree steht hier ein Prop für einen gesamten anderen Menschen bzw. für die Beziehung zu diesem Menschen.

Das das gesamte Outdoor-Environment in Sonder hingegen steht für den Seelenzustand des Protagonisten bzw. den Prozess seiner Trauerverarbeitung – sprich einen Teil seiner eigenen Identität. So muss er sich etwa durch einen Schneesturm kämpfen, bricht in ein Loch im Boden und gelangt so in einen dunklen Wald – sein dunkelstes Inneres, wo er durch Ranken bedroht wird und sich seiner Trauer stellen muss

Bedrohung durch Ranken in Sonder

Weitere Filmbeispiele:

  • Pépé Le Morse (Lucrece Andeae)
  • Moana (Disney Animation Studios)
  • Prinzessin Mononoke (Studio Ghibli)
  • Spring (Blender Foundation)
  • Pocahontas (Disney Animation Studios)
  • Agent Orange Ready (Christian Schlaeffer)
  • The Forest (David Scharf)
  • Mount Head (Koji Yamamura)