Klangliche Stilmittel in Videospielen (Teil 2: Signale, Stereotype, Subjektivierung)

Im letzten Blogeintrag bin ich auf die von Gerhard Hackl genannten Symbole, Leitmotive und Key Sounds eingegangen, die häufig in Filmen und Videospielen vorkommen [1]. In diesem Post werden zunächst weitere allgemeine Stilmittel ermittelt, die sich sowohl klanglich als auch visuell etabliert haben. Anschließend beschreibe ich mehrere rein klangliche Effekte zur Subjektivierung, die es dem Zuschauer erlauben, sich besser in die Rolle der Charaktere hineinzuversetzen.

Signale

Ein Signal ist ein Klangobjekt, das eine gesellschaftlich definierte und kommunikative Bedeutung hat. Das Signal übermittelt eine Information, die zum Handeln auffordert und/oder als Warnung dient, wie z.B. beim Heulen einer Sirene.

Meistens weisen Signale eine simple klangliche Grundstruktur auf, die ihren Mittelpunkt hinsichtlich des Frequenzspektrums in einem für Menschen kritischen und leicht hörbaren Frequenzbereich hat. Das hat zur Folge, dass dieses Geräusch trotz ungünstiger akustischer Bedingungen trotzdem deutlich gehört werden kann.

In Filmen oder Videospielen erklingen Signale häufig ohne den dazugehörigen visuellen Elementen, welche die klanglichen Signale verursachen. Damit soll der Beobachter auf einer höheren affektiven Gefühlsebene beeinflusst werden und Emotionen wie Angst, Aggression oder Vorsicht herbeiführen. In der Spielereihe Grand Theft Auto erklingen z.B. Sirenen, sobald eine Straftat begangen wurde und man von der Polizei verfolgt wird. Ziel des Spielers ist es nun, die Polizei abzuhängen und solange von der Bildfläche zu verschwinden, bis die Polizei die Verfolgungsjagd aufgibt.

Stereotype

Abgesehen davon, dass der Begriff heutzutage negativ konnotiert ist, tragen Stereotype eine wichtige Funktion als Orientierungshilfe. Mit ihrer Hilfe können Unterschiede der komplexen Außenwelt mit eigenen inneren Vereinfachungen bewältigt werden.

In Filmen und Videospielen werden Stereotype durch häufige Verwendungen, die sich über zahlreiche Filme und Videospiele erstrecken, geschaffen, um beim Rezipienten im Langzeitgedächtnis verankert zu werden. Ein typisches Beispiel wäre das Kreischen eines Adlers, das die Leere und Weite einer Landschaft verstärken soll oder im Horrorgenre das Wolfsgeheul bei Vollmond, das die Gefährlichkeit der Nacht symbolisiert und ein Gefühl von Angst beim Rezipienten erzeugen soll.

Da Stereotype dazu dienen, Komplexitäten zu reduzieren, werden außerdem entweder Ähnlichkeiten verschiedener Charaktere und Sachverhalte überbetont oder deren Unterschiede stark kontrastiert. Klanglich wird oft damit gearbeitet, dass “das Böse” mit Geräuschen gestaltet wird, die ihren Fokus im unteren Frequenzspektrum haben, somit eher dumpf klingen und ein Unbehagen beim Beobachter auslösen. “Das Gute” wird hingegen mit Klängen im Mittelton-, oder Hochtonbereich dargestellt, die dem Beobachter vertraut sind und dementsprechend sympathischer erscheinen. Mit solchen Stereotypen lassen sich Strukturen einfacher verdeutlichen. Sie machen es dem Beobachter leichter, Sachverhalte und Charaktere einzuordnen.

Subjektivierung

Stilmittel, die zur Darstellung der Sicht einer Figur oder aber auch zur Darstellung einer Veränderung von Wahrnehmungen, wie bei Träumen, Halluzinationen, Erinnerungen und Visionen dienen, werden Subjektivierung genannt. Diese kommen ursprünglich in Filmen vor, haben aber eine noch größere Bedeutung in Videospielen, in welchen man häufig aus der Sicht einzelner Charaktere spielt. Dabei bedient man sich verschiedener klanglicher Effekte und/oder der Dissoziation von Bild und Ton. Die Verfremdung des Klangmaterials oder die Diskrepanz von Bild und Ton, die beim Rezipienten einen logischen Konflikt erzeugt, wird durch kognitive Bemühungen und Zuordnungen interpretiert und dementsprechend als wahrnehmungsverändernd wahrgenommen.

Stille

Stille in einer Situation, in welcher es eigentlich laut sein müsste, ist häufig die Darstellung eines Realitätsverlusts. Das wird so erklärt, dass der Mensch ständig im sensorischen Austausch mit der Außenwelt steht und quasi bewusst oder unbewusst, selbst im Schlaf, klangliche Geräusche registriert. Beim Effekt der Stille trennt sich also die Figur von der Lautsphäre und somit auch von der Realität.

Lautstärke

Lautstärke bekommt erst eine Bedeutung durch ihren Kontrast. Ein plötzlicher Anstieg der Lautstärke bewirkt ein reflexartiges Zusammenzucken beim Zuschauer und verursacht Verängstigung. Auch wird mit der Lautstärke der Grad der Aggressivität der Spielfigur dargestellt.

Generell muss Lautstärke im Zusammenhang mit der Dauer betrachtet werden. Lang andauernde laute Geräusche und Klangkulissen verursachen Stress und werden auch in Videospielen genutzt, um ein Unwohlsein der Spielfigur darzustellen. Auch können lange und laute Geräusche andere Sinne beeinflussen und Gleichgewichtsstörungen, Schwindelgefühle, Schmerzen oder aber auch positive trance-artige Zustände hervorrufen.

Hall

Hall beschreibt einen bestimmten geistigen Zustand einer Figur. Oft werden damit Träume oder Erinnerungen dargestellt. Verhallte Geräusche werden hierbei in Form von akustischen Rückblenden genutzt. Ein weiterer gewünschter Effekt bei der Nutzung künstlichen Halls entsteht, wenn die klangliche räumliche Repräsentation nicht mit dem Gesehenen übereinstimmt. Durch die ungewohnte klangliche Umgebung fühlt der Rezipient eine gewisse Unsicherheit.

Zeitlupe

Die Zeitlupe wird als Effekt genutzt, um die Aufmerksamkeit des Beobachters auf bestimmte Momente zu lenken. Die Zeitlupe zielt auf das Phänomen ab, dass Zeit als etwas subjektiv dehnbares gesehen wird und in Abhängigkeit von Ereignissen und deren Intensität unterschiedlich lang wahrgenommen wird. Ein weiterer Effekt, der bei der Verlangsamung von Geräuschen entsteht, ist die Erhöhung ihrer dramatischen Wirkung, da diese Geräusche nach der Bearbeitung tiefer und somit auch voluminöser klingen.

Vergrößerung

Damit ist die Hervorhebung eines Geräusches von der restlichen Klangkulisse gemeint. Diese wird durch eine erhöhte Lautstärke, einen größeren Hallanteil oder durch klangliche Verfremdungen erzeugt. In manchen Fällen wird auch die Quelle des Geräusches durch eine andere ersetzt. Mit einer Vergrößerung wird die Wertung oder Relevanz einer Sache aus Sicht der Figur beeinflusst.

Atmen und Herzklopfen

Diese bilden eine besondere Form von Stilmitteln und repräsentieren eine extreme Form von Anspannung oder Lebensbedrohung. Diese Geräusche werden besonders hervorgehoben, wenn die Figur droht zu sterben oder einer extremen Belastung ausgeliefert ist. In vielen Spielen werden diese Geräusche außerdem genutzt, um dem Spieler ein bestimmtes Handeln zu suggerieren. Wenn man beispielsweise kurz davor ist, in einem im Spiel zu sterben, erklingt oft ein ein lautes Atmen oder ein intensives Herzklopfen, das signalisiert, dass die Spielfigur in Deckung gehen und sich erholen soll.

Das waren also gängige Stilmittel und Effekte, die sowohl in Filmen als auch in Videospielen anzutreffen sind. Sie haben verschiedene Ziele und sind in dieser Form gewöhnlich nicht in der realen Welt anzutreffen. Allerdings ermöglichen sie es dem Zuschauer oder Spieler auf eine leichtere und gleichzeitig intensivere Art in die erzählte Geschichte oder Spielhandlung einzutauchen und sich in die Charaktere hineinzuversetzen.

Quellen:

[1] https://phaidra.fhstp.ac.at/open/o:1779