Stereotypen, Vorurteile und Diskriminierung (2)

Um diskriminierendes Verhalten besser verstehen zu können, werde im Folgenden die Begriffe Stereotypen, Vorurteile und Diskriminierung definiert:

Frank Asbrock hat sich in seiner Dissertation 2008 mit der „Systematik diskrimierenden Verhaltens gegenüber unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen“[1] auseinandergesetzt.

Stereotypen „dienen dazu, die Welt überschaubar zu machen“ und vereinfachen die komplexe Realität. Dadurch bauen sie „Sicherheit für das eigene Handeln“.[2]

Vorurteile entstehen aus einer „Ideologie der Ungleichwertigkeit“ heraus. „Statusniedrigere Gruppen“ sorgen zur Aufwertung der eigenen statushöheren Gruppe. [3]  Die zugeschriebenen Eigenschaften der Gruppen sind allgemein bekannt und werden „durch Kommunikation weitergegeben und aufrechterhalten“. [4]  Nur wenn Stereotypen von einer Gruppe von Personen verfestigt wird, werden sie zu „sozialen Stereotypen.[5] Die „gesellschaftliche[n] Statusunterschiede“ müssen immer wieder mit Beispielen rechtfertigt werden.[6] Wenn ein Vorurteil durch ein Beispiel begründet[7] wird, ist es sozial anerkannter.

Diskriminierung ist unfaires Verhalten[8] basierend auf stereotypischen Denkmustern. Diskriminierung wird in aktive und passive Form unterschieden. Passive Diskriminierung sind „indirekte, subtile und zurückhaltende Verhaltensweisen, wie beispielsweise die Kontaktvermeidung oder Ignorieren“, „Sitzdistanz“, „wenig freundliches Verhalten oder die Vermeidung von Blickkontakt“.[9]  Aktive Diskriminierung sind „z.B. Angriffe, Sabotage oder paternalistische Hilfe“.[10]

Diskriminierung wird und in einer heißen und kalten Form unterschieden. „Heiße Diskriminierung ist affektgeladen und basiert auf Wut, Abscheu und Feindseligkeit“. Kalte Diskriminierung sind „Einschätzungen von Kompetenz, Motivation und den Absichten der Fremdgruppe“. (Seite 27)

Diskriminierung ist von „Emotionen geleitet“.[11] Dijker analysierte die ausgelösten Emotionen gegenüber einer bestimmten Gruppe und bewertete diese (Intergroup Emotion Theory).[12] Stereotypen und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit scheinen ein Teufelskreis zu sein, denn „Wer eine Gruppe ablehnt, neigt auch zur Ablehnung anderer Gruppen“.[13] Menschen, die eine „höhere Ausprägung in Need of structure“[14] neigen mehr zur Diskriminierung.

Quellen:


[1] Die Systematik diskrimierenden Verhaltens gegenüber unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, Dissertation Frank Asbrock

[2] Quelle https://www.bpb.de/lernen/grafstat/fussball-und-nationalbewusstsein/130843/m-01-06-vorurteile-und-stereotypen [letzter Aufruf: 17.11.2020]

[3] Asbrock:2008; S. 13.

[4] Asbrock:2008; S. 13.

[5] Asbrock:2008; S. 35.

[6] Asbrock:2008; S. 29

[7] Asbrock:2008; S. 13.

[8] Asbrock:2008; S. 19.

[9] Asbrock:2008; S. 26.

[10] Asbrock:2008; S. 28.

[11]Asbrock:2008; S. 41.

[12] Vgl. Asbrock:2008; S. 41.

[13] Asbrock:2008; S. 12.

[14] Asbrock:2008; S. 25.

Stereotypisierung und Antiziganismus (1)

“I like standing still, but that’s just a wishful plan
Ask me where I come from, I’ll say a different land

Cause I’ve got memories and travel like gypsies in the night

I’ve got no roots, but my home was never on the ground […]”

„No roots“, ein Song von Alice Merton, den wir schon viele Male im Radio gehört haben. Nicht für alle ist dies ein Gute-Laune Song. Viele Sinti und Roma fühlen sich mit dem Wort „gypsies“ verletzt. Für Angehörige der Minderheit Sinti und Roma ist der Begriff „gypsies“ oder auf Deutsch „Zigeuner“ diskriminierend. Aus dem Griechischen übersetzt die „Unberührbaren“ wird der Begriff mehrheitlich von der Minderheit abgelehnt. Auch der Stereotyp des Nomadentums („travel“) ist ein Stereotyp. Lebensstile der Sinti und Roma sind ebenso vielfältig wie die einer Mehrheitsgesellschaft. (1)

Neben subtiler Stereotypisierung in Songtexten findet Diskriminierung noch auf anderen Ebenen statt.

Julie Michel Chantal Georg aus Darmstadt, Deutschland ist stolz Sinteza zu sein. Sie setzt sich politisch gegen Antiziganismus ein. Verwandte oder Freunde von ihr verheimlichen ihre Ethnie, da sie sonst Diskriminierungen zum Beispiel auf der Arbeit oder auf der Wohnungssuche befürchten.

Julie Georg prangert die Darstellung von Sinti und Roma in den Medien an. Dort wird ein Bild von armen, in Wohnwagen lebenden Sinti und Roma unterstützt. Sinti und Roma, die in Büros arbeiten und erfolgreich sind, werden ausgeblendet. Die von Spiegel TV 2019 produzierte Dokumentation “Roma: Ein Volk zwischen Armut und Angeberei” (2) für eine rassistische Darstellung der Minderheit.

Laut einer Studie von Katapult (3) ist der Antiziganismus in Italien besonders hoch. Auf Youtube kursierte seit 2017 ein Video (4), das zwei Mitarbeiter der Lidl Filiale in Follonica zeigt, die zwei Roma in einem Container von Lidl einsperrten, nachdem sie dort nach Essen suchten.

Die Kommentare zu diesem Video bestätigen die beiden Lidl Mitarbeiter in ihrer Tat und beleidigen Roma aufs Härteste:

“Hanno fatto bene a chiuderle dentro! Già che c’erano al loro posto gli avrei pure pisciato in testa” (Haben sie gut gemacht, sie einzuschließen. Ich hätte ihnen auch noch auf den Kopf gepisst.)

“classica tecnica,ormai scoperta dalla polizia,quando vengono prese in fragrante,urlano come ossessi,a prescindere,per farsi portare dalla parte della ragione,una donna che urla attira commozzione,,…io avrei lasciate dentro per giorni,senza mangiare,tanto quelle con la giustizia italiana sono gia fuori da poche ore”

(Klassische Technik, schon von der Polizei bekannt, wenn sie erwischt werden, schreien sie obsessiv, um sich auf die rechte Seite zu stellen, eine schreiende Frau zieht Aufmerksamkeit auf sich, „Ich hätte sie für Tage dort drin gelassen, ohne Essen, trotzdem wurden sie nach italienischem Recht schon nach paar Stunden befreit.)

Eine Umfrage (5), die Passanten zu dem Video der zwei Lidl Mitarbeiter befragt, zeigt einstimmige Ablehnung der Roma.  

Wie entsteht diese Feindseligkeit? Wie bilden sich Stereotypen und wie werden sie erhalten?

Quellen